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9. Februar 2019

Es wächst und wächst…

Von Schrödingers Katze
Naturwissenschaft
Die Forschung rund um Hefe wurde ein großes Stück vorangebracht. Davon profitiert auch die Industrie.

Forscherinnen der BOKU haben einen Genschalter im Zellkern der Hefe entdeckt, mit dessen Hilfe sich die Stoffwechselprozesse der Hefe beeinflussen lassen.

Die Skizze zeigt, wie unterschiedlich Hefearten sind. Genetisch unterscheiden sie sich teilweise wie der Mensch vom Bandwurm. Bild: Diethard Mattanovich.

Wie der Mensch zum Bandwurm

Wer an Hefe denkt, denkt vermutlich zuerst an das Backtriebmittel. Doch der Pilz ist wesentlich mehr als das: „Hefe ist nicht gleich Hefe. Man nimmt an, dass es 6000 verschieden Arten von Hefe gibt“, erklärt der Mikrobiologe Diethard Mattanovich von der BOKU, der an dem Forschungsprojekt um den Genschalter beteiligt war.

„Die Hefearten sind in der Bandbreite genetisch so unterschiedlich wie der Mensch zum Bandwurm“, vergleicht Mattanovich. Die Bäckerhefe, wie die Hefe, die wir zum Backen verwenden auch genannt wird, ist nur eine einzige der 6000 Arten.


Bei der Gärung der Backhefe entstehen Ethanol und CO2.

Gärung ist eigentlich Verschwendung

Doch wie „geht“ die Bäckerhefe eigentlich? Hefe ernährt sich von Zucker. Sie verstoffwechselt ihn zu verschiedenen Produkten. Im Falle der Bäckerhefe sind das große Mengen an Kohlendioxid und Ethanol. Ihr Zuckerstoffwechsel ist wesentlich stärker als bei anderen Hefen, das ist für sie allerdings kein Vorteil. „Wenn man das aus der Interessenslage der Hefe sieht, dann ist das eigentlich eine unheimliche Verschwendung“, meint Mattanovich.

Die Studentin Özge Ata hat für ihre Dissertation an der BOKU Versuche an Hefe durchgeführt, bei denen sie zufällig auf den Grund dafür gestoßen ist, warum bei manchen Hefen der Stoffwechsel besser funktioniert als bei anderen: der Genschalter.

Er ist ein Protein im Zellkern der Hefe, der Gene an- oder abschalten kann. Damit löst er ein Problem der Evolution: Sie schreitet nur sehr langsam voran. Für gewöhnlich braucht die Mutation eines einzelnen Gens viele Millionen Jahre. Dass sich zwölf Gene auf einmal verändern, scheint unglaublich. Doch durch den Genschalter musste nur ein einzelnes Protein im Zellkern verändert werden, um mit einem Mal alle nötigen Gene anzuschalten, die den Stoffwechsel der Hefe beeinflussen.

ForscherInnen gehen davon aus, dass der Genschalter irgendwann im Laufe der Evolution seine Funktion gewechselt hat. In der Bäckerhefe existiert er beispielsweise auch, dort sorgt er aber dafür, dass bestimmte Zucker besser verwertet werden. Trotzdem sei anzunehmen, dass der Schalter bei vielen anderen Hefearten die Gärung vorantreiben würde, wie er das bei der untersuchten Hefe getan hat, so Mattanovich.

Bäckerhefe unter dem Mikroskop.
Credit: CC BY 2.0 Foto: Sam LaRussa via Flickr.

Aus Hefe wird Treibstoff und Plastik

Diese Erkenntnis bedeutet Großes für die Forschung, spannend ist sie aber auch für die Industrie. „In der Biotechnologie bietet der Genschalter die Möglichkeit, in Hefestämmen, die nicht Bäckerhefe sind, die Gärung und damit die Produktion von Chemikalien anzukurbeln“, erklärt Mattanovich. Das betrifft beispielsweise die Produktion von Bioethanol, also Treibstoff. Aber auch Biokunststoff kann aus einem Nebenprodukt der Gärung, der Milchsäure, hergestellt werden. Dieser bietet eine gute Alternative zu herkömmlichem Kunststoff, da er sich kompostieren lässt.

Die Entdeckung des Genschalters ist auch spannend für die Grundlagenforschung. Da es keine Hefefossilien gibt, wissen wir tatsächlich recht wenig über die Vergangenheit der Hefe. Evolutionsvorgänge können mithilfe des Wissens um den neuen Genschalter allerdings besser im Labor simuliert werden, wodurch wir hoffentlich bald mehr über die Lebenswelt der 6000 Hefearten wissen werden.

Univ.-Prof. Diethard Mattanovich vom Institut für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur.

Dieser Artikel gehört zur Themenreihe:

Das Mikroplastik-Zeitalter

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