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3. Mai 2018

Kummerspeck: Woher er kommt

Von Schrödingers Katze
Psyche
Stressessen, Nervennahrung, Kummerspeck. Viele Menschen haben ein ungesundes Verhältnis zu Nahrung, wenn sie unter Stress stehen. Einen physiologischen Grund gibt es dafür jedoch nicht.

Stress wird oft als einer der Gründe genannt, warum es Menschen schwer fällt, ein gesundes Gewicht zu halten. Kaum steigt der Stresspegel an, schon greifen viele zu Fast Food oder Süßigkeiten, um die Nerven zu beruhigen. Forscher der Uni Salzburg erforschen jetzt mit einem neuen Ansatz, wie dieses Verhalten im Alltag zustande kommt.

Die Ergebnisse einer Studie der Uni Salzburg. Bei Trauer essen viele Menschen mehr als sonst. Foto: adaptiert nach Meule, Reichenberger & Blechert (2018)

Frauen sind eher betroffen

Dass wir in Stresssituationen mehr essen, ist dem Menschen eigen. Im Tierversuch essen Ratten eher weniger mit zunehmendem Stress. „Bei Ratten könnte man sich das so erklären, dass der Stress mit der körperlichen Erregung einhergeht, also mit der Ausschüttung von Stresshormonen”, erklärt Adrian Meule von der Uni Salzburg. „Die Stresshormone unterdrücken den Appetit.”

Unser Drang, mehr zu essen, wenn wir uns schlecht fühlen, ist also nicht angeboren. Deshalb vermuten Psychologen, dass wir dieses Verhalten erlernen. Wir bringen uns das Stressessen selber bei, indem wir lernen, dass negative Emotionen durch Essen gedrückt werden können. Auch die Vorbildfunktion von Eltern ist nicht zu unterschätzen: Das Essverhalten der Eltern färbt oft auf ihre Kinde ab.

Bei Zeitdruck essen wir eher aufgrund des Geschmacks der Lebensmittel mehr, und nicht etwa, weil wir dann mehr Hunger verspüren.

Essen auf Zeitdruck

Frustessen scheint sehr verbreitet zu sein, nicht umsonst gibt es für das Gewicht, dass man dadurch anlegt, einen Begriff: Kummerspeck. Deshalb scheint es überraschend, dass sich bei fünfzig Prozent der Menschen das Essverhalten in Stresssituationen gar nicht ändert. Ein Viertel ist Stress-Überesser, der Rest isst bei Stress eher weniger als gewöhnlich, wie das auch bei Ratten der Fall ist. Frauen gaben bei mehreren von Meule durchgeführten Studien an, eher mehr zu essen, im Gegensatz zu den befragten Männern. Weniger wird das Stressessen tendenziell ab dem 60. Lebensjahr.

Verschiedene Arten von Stress wirken sich unterschiedlich auf das Essverhalten aus. Sozialer Stress scheint sich zum Beispiel weniger auf das Essverhalten auszuwirken als Zeitdruck. „In einer Studie ergab sich, dass der Zeitdruck vor allem damit zusammenhängt, dass die Leute weniger geschmacksbasiert essen, während das bei anderen Stressarten nicht der Fall war”, erklärt Meule.

Das bedeutet, dass Menschen unter Zeitdruck eher nur aufgrund des Geschmacks essen und weniger aufgrund von Hunger. Studienteilnehmende mit erhöhtem BMI gaben allerdings an, bei Stress aufgrund von Hunger mehr zu essen, und nicht nur aufgrund des Geschmacks.

Bei Stress greifen viele Menschen zu Süßigkeiten oder Fast Food.

Mit einer App Stressessen verstehen

Wie Stressessen aber genau funktioniert und woher es wirklich kommt, liegt teilweise noch im Dunkeln. Deshalb laufen unter anderem an der Uni Salzburg laufend Studien dazu. Bisher liefen diese Versuche oft so ab, dass Teilnehmenden im Labor leichte Schmerzen zugefügt werden, um sie so künstlich unter Stress zu setzen. „Man muss den Stress ja irgendwie induzieren”, erklärt Meule. „Zum Beispiel, indem die Leute ihre Hand in Eiswasser tunken. Das problematische ist, dass man das ja nicht mit jeder Art von Stress machen kann.”

Deshalb verwenden Wissenschaftler manchmal Smartphones, um das Ess- und Stressverhalten ihrer Probanden zu erforschen. Meule unter anderem arbeitet momentan an einer Studie , bei der Teilnehmende sich eine App herunterladen, in die sie im Laufe des Tages öfter ihren derzeitigen Stresslevel und was sie gegessen haben eintragen. So kann Stressessen unter natürlicheren Bedingungen als im Labor getestet werden.

Gegen Stressessen helfen Achtsamkeits- und Entspannungsübungen.

Schon eine Essstörung?

„Stressessen an sich ist nicht pathologisch”, so Meule. „Allerdings kann es mit einer Essstörung zusammenhängen.” So essen Menschen mit Binge-Eating-Disorder oder Bulimie oft mehr bei negativen Emotionen. Magersüchtige essen in solchen Situationen eher noch weniger und mehr, wenn sie sich gut fühlen.

Da Stressessen keine Krankheit ist, gibt es auch keine Therapie dafür. Handelt es sich allerdings tatsächlich um eine Essstörung, kann eine kognitive Verhaltenstherapie den Betroffenen helfen . „Zum Beispiel werden dann Ernährungstagebücher geführt, die zu einem regelmäßigeren Essverhalten führen”, sagt Meule. Ein anderer Ansatz ist die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion, die seit einigen Jahren eingesetzt wird. Dabei handelt es sich um Meditation und andere Übungen, mit denen Stress reduziert werden kann.

Wer also tatsächlich unter Stress mehr isst als sonst, muss nicht gleich in Therapie gehen. Stress kann sich aber auch auf andere Arten schlecht auf den Körper und die Psyche auswirken. Deshalb ist in jedem Fall zu empfehlen, Stress nach Möglichkeit zu reduzieren.

Dr. Adrian Meule vom Fachbereich Psychologie der Uni Salzburg.

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