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Das unscharfe Bild einer Blume.
1. Dezember 2023

Vorbild Natur: Wie Bienen gegen Bildrauschen helfen

Von Schrödingers Katze
Mobilität, Technik & Zeit
Ein neuer Algorithmus, der die Sinnesleistung von Insekten teilweise abbildet, kann Bildrauschen bei Fotos verbessern.

Den perfekten Moment festhalten, Erinnerungen schaffen und mit anderen teilen – all das ermöglichen Fotos. Umso ärgerlicher, sind verwackelte Motive oder Bildrauschen. Letzteres beschreibt unerwünschte zufällige punktförmige Variationen in digitalen Bildern, die dazu führen, dass Kanten, Linien, Ecken oder Objekte nicht klar erkennbar sind. Manchmal kann auch die Nachbearbeitung nicht mehr helfen und das Foto ist unbrauchbar.

Einfacher Algorithmus gegen Bildrauschen

Manfred Hartbauer ist Biologe an der Universität Graz und hat sich die Natur als Vorbild genommen, um gegen solche Probleme vorzugehen: Er hat einen Algorithmus entwickelt, der Anleihen bei nachtaktiven Schmetterlingen und Bienen nimmt, um gegen das Bildrauschen vorzugehen. Die Grundlage dafür bildet das Sehvermögen der Insekten bei Nacht. Die Tiere brauchen sehr gute Sehkraft, um auch bei schlechten Witterungsbedingungen und bei Dunkelheit Futter zu finden. Diese Tatsache lieferte die Idee für Manfred Hartbauers Algorithmus. Dieser kommt mit nur zwei Rechenformeln aus und kann einfach ermittelt werden – dabei muss für jeden Bildpunkt eine Berechnung für das Entrauschen durchgeführt werden. Im ersten Schritt wird für jeden Bildpunkt ein lokaler Mittelelungsbereich definiert, um das Bildrauschen in diesem Bereich durch Mittelung der Grauwerte zu entfernen. Dabei bleiben feine Details des Fotos – wie Objektkonturen – erhalten. Dafür untersucht der Algorithmus, ähnlich wie im Gehirn von Insekten, nahe beieinander liegende Bildpunkte auf ihre Variabilität in einem sich ausdehnenden Kreis und sobald ein Schwellenwert überschritten wird, wird der Grauwertemittelwert der Bildpunkte im Kreis auf das zentrale Pixel geschrieben. Eine ähnliche Mittelung erfolgt auch im Gehirn von Insekten. Der Vorteil ist, dass der Kreis in der Nähe von Objektkanten einen kleinen Durchmesser haben wird, im Vergleich zu einem homogeneren Bereich des Bildes wo, bei Verwendung desselben Schwellenwertes, in einem größeren Durchmesser gemittelt wird. Damit kann man ein Bild entrauschen, ohne die Kanten und Objektkonturen stark zu beeinflussen.

Im zweiten Schritt wird die Bildschärfe mit Hilfe eines Unschärfemaskenfilters verbessert. Bei diesem Prozess wird das Originalbild von einer verschwommenen Kopie von sich selbst pixelweise abgezogen, womit das Bild schärfer wird. Manfred Hartbauer: „Der Vorteil meines Algorithmus ist, dass man nur einen Parameter, den Schwellenwert, für meinen Algorithmus benötigt und dieser von der Bildstatistik mit einer einfachen Formel hergeleitet werden kann. Die meisten Entrauschungsalgorithmen benötigen zahlreiche Parameter, die für jedes Bild genau abgestimmt werden müssen.“

Stachellose Minibiene & Wiener Weinschwärmer

Ein Vortrag des Zoologen Eric Warrant aus Lund (Schweden) inspirierte Hartbauer zu dieser Idee. Eric Warrant befasst sich bereits länger mit den unglaublichen Sehfähigkeiten von nachtaktiven Bienen in den Tropen und den nachtaktiven Schmetterlingen in Europa und er konnte zeigen, dass das Licht der Sterne für diese Insekten reicht, um auf Futtersuche zu gehen. „Er hat auch einen Nachtsichtalgorithmus patentieren lassen, der jedoch mathematisch hochkomplex ist und sich nur für Videos eignet“, erklärt der Grazer Biologe. Hartbauer erkannte, dass die stachellose Minibiene (Megalopta genalis) und der Wiener Weinschwärmer (Deilephila elpenor) sich als tierische Vorbilder für seinen Algorithmus eigneten. Es zeigte sich, dass sein Algorithmus verrauschte Bilder ebenso gut entrauscht wie die gängigen Bildentrauschungsalgorithmen, die mathematisch viel komplexer sind und eine Vielzahl an Parameter benötigen, um eine qualitativ hochwertiges Bild zu erzeugen.

Bionische Lösungen

Die Wissenschaft bedient sich immer wieder solcher bionischer Lösungen. Unter Bionik versteht man die Übertragung von Phänomenen und Mechanismen der Natur auf die Technik. Diese werden dann beforscht, wenn rein technische Ansätze nicht ausreichen, um ein Problem zu lösen. Schließlich hatte die Natur Millionen Jahre Zeit, um funktionierende Lösungen zu suchen, erinnert der Biologe. Manfred Hartbauer nennt ein konkretes Beispiel: „Lösungen von Problemen, die die Natur hervorbringt, sind meist faszinierend und unerwartet. Man braucht nur an eine Ameisenstraße denken, die sich rasch an sich ändernde Umweltbedingungen über das Legen einer Pheromonspur ändert (Pheromone sind Botenstoffe, mit denen Tiere untereinander kommunizieren, Anm.). Die technische Umsetzung einer Ameisenstraße kann auch in der Logistik oder im Internetdatenverkehr gut eingesetzt werden, um Wegstrecken zu optimieren.“

Die Erfindung von Manfred Hartbauer kann zur Entrauschung von Farb- oder Grauwertebilder verwendet werden und kann auch auf spezieller Hardware (FPGA Boards) parallel ausgeführt werden, wodurch die Geschwindigkeit der Entrauschung enorm gesteigert werden kann. Bei modernen Kamerasystemen könnte sein bionischer Algorithmus eingesetzt werden, um das Sensorrauschen bei schlechten Lichtbedingungen zu unterdrücken.

Biologe Manfred Hartbauer
Der Biologe Manfred Hartbauer forscht an der Universität Graz © Sissi Furgler

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