Mathematik ist für viele Schüler*innen ein Angstfach und manche Absolvent*innen sind ebenso froh, Algebra, Geometrie oder Zahlentheorie hinter sich zu lassen. Dabei hilft Mathematik uns strukturiert zu denken, die Welt besser zu verstehen und zu beschreiben sowie ein mündiger Mensch zu werden, ist Christina Krenn überzeugt. Die Mathematik- und Chemie-Lehrerin arbeitet seit 2019 an der Linz School of Education der Johannes Kepler Universität und ist dort für das Projekt „FLINK in Mathe“ zuständig. Im FLINK-Team werden – gemeinsam mit Kolleg*innen – kostenlose, digitale, qualitätsgesicherte Materialien für den Mathematikunterricht entwickelt und erstellt, die von Schüler*innen, Lehrer*innen sowie Eltern genutzt werden können.
Wichtige Skills
Mathematik basiert auf einer aufbauenden Systematik und fördert somit strukturiertes Denken. Strukturiertes Denken bezeichnet die Fähigkeit, grundlegende Systeme und langfristige Folgen zu erkennen und richtig einzuordnen. Strukturiertes Denken wird nicht nur in der Mathematik gelernt und benötigt, sondern auch in vielen verschiedenen Bereichen des Lebens: Etwa bei der Erfassung komplexer Sachverhalte, bei der Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Informationen, bei der Erkenntnis von Problemen bzw. Hindernissen und bei der Suche nach Lösungen, um Ziele zu erreichen.
Christina Krenn plädiert dafür, die Relevanz der sog. MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) in der Schule stärker in den Fokus zu rücken. Viele Schüler*innen fragen sich, wozu sie den vermittelten Stoff in Mathematik zukünftig brauchen werden. Dazu fallen der Expertin sofort konkrete Beispiele ein: „ Die Relevanz von Mathematik ist alltagspräsent: All zu oft werden Zahlen und Statistiken in Medien falsch interpretiert. Darüber hinaus brauchen wir Mathematikkenntnisse, um beim Einkaufen prozentuelle Ersparnisse richtig auszurechnen oder Maße und Flächen zu berechnen. Mathematik hilft uns also, fundierte Entscheidungen im Leben zu treffen.“
Guter Unterricht
Christina Krenn kennt Gründe, warum viel Schüler*innen Angst vor Mathematik haben: Das Fach ist kognitiv fordernd, benötigt eine hohe Konzentration und hat eine eigene Symbolsprache, die man verstehen muss. Zudem mag der Effekt der selbsterfüllenden Prophezeiung eintreten, denn schließlich sind Aussagen wie „in Mathematik war ich immer schlecht“ bei vielen Menschen salonfähig. Im Umkehrschluss muss gerade der Mathematik-Unterricht besonders ansprechend sein, ist sich die Expertin sicher: Die Lehrer*innen sollten im beten Fall Vorbilder sein und auch einen kreativen Zugang zum Fach sowie die Freude an Mathematik vermitteln. Vielfalt in der Gestaltung des Unterrichts und der pädagogischen Methoden sind ebenso sinnvoll und es sollten nicht nur Tests und Schularbeiten im Fokus stehen. Mathematik-Lehrer*innen sollten zudem als Lernbegleiter*innen fungieren und es ist wichtig, eine neue Fehlerkultur zu etablieren: Fehler sollten nicht verteufelt, sondern Willkommen geheißen werden, denn schließlich lernt man durch diese. Die Mathematik-Expertin betont weiters: „In allen Unterrichtsfächern – nicht nur in Mathematik – sollte die Verantwortung für das eigene Tun gefördert werden.“
Digital Mathe lernen
Lernen erfolgt mittlerweile auch digital, wie bei „FLINK in Mathe“. Wie müssen Mathematikübungen demnach digital verfügbar gemacht werden? Krenn: „Für das Training von operativen Grundfertigkeiten reicht es, bekannte Mathematikübungen zu digitalisieren. Durch spezifisches Feedback (bei typischen Fehlern), Hilfestellungen und der Darbietung von Lösungswegen werden diese aufgewertet.“ Christina Krenn betont, dass es sinnvoll ist, wenn sich die analoge und die digitale Welt sinnvoll ergänzen: Es ist weiterhin wichtig, dass die Schüler*innen mit Zirkel und Geodreieck arbeiten. Auch um dreidimensionale Körper – wie etwa einen Würfel – erstmals kennenzulernen, eignet sich weiterhin ein analoger Zugang: So sollen die Schüler*innen den Würfel anfassen und so seine Flächen, Ecken und Kanten kennenlernen. Die kinästhetische Seite der Mathematik darf man nicht unterschätzen.
„Die große Stärke der Digitalisierung liegt in der Visualisierung der mathematischen Inhalte – von der Darstellung von Brüchen bis zur Geometrie“, sagt Krenn. „So können die Schüler*innen bei digitalen Matheaufgaben die Addition von Brüchen sehr gut nachvollziehen gut sehen, etwa wie sich der Nenner eines Bruchs ändert. Das lässt sich digital besser visualisieren als in einem analogen Schulbuch.“ Christian Krenn bewertet die Digitalisierung in Österreichs Schulen als gut, jedoch betont sie die Notwendigkeit, das Lehrpersonal bestmöglich zu schulen.
Spaß an Mathematik
Das Projekt „FLINK in Mathe“ überzeugt mit seiner kindergerechten und gendersensiblen Darstellung hinsichtlich Sprache und Bilder. Die digitalen Materialien durchlaufen einen Qualitätssicherungsprozess, in den Fachdidaktiker*innen der JKU, der PH OÖ und der PH Steiermark, sowie erfahrene Lehrer*innen aus der AHS und Mittelschulen einbezogen sind. Die Materialien stellen dabei eine gute Ergänzung zu herkömmlichen Schulbüchern und der Arbeit mit Zirkel und Lineal dar. So kann es gelingen, das Fach Mathematik positiver zu bewerten.
Christina Krenn weiß, was ihr an Mathematik besonders Spaß macht: „Mathematik fordert und fördert strukturiertes, logisches Denken, aber auch Kreativität ist notwendig – etwa bei der Suche nach Lösungswegen. Eine anspruchsvolle Aufgabe zu lösen oder einen mathematischen Beweis zu verstehen, erfüllt mich mit Freude.“