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25. Januar 2016

Die Wissenschaft des Walzers

Von Schrödingers Katze
Kunst & Kultur
Was wäre ein Ball ohne das obligatorische "Alles Walzer!"? Und was hat es eigentlich mit dem Dreivierteltakt auf sich? Schrödingers Katze hat sich auf die Suche nach Antworten um den Mythos Walzer begeben und sich mit Experten aus Tanz-und Musikwissenschaft von der Universität Salzburg und dem Mozarteum unterhalten.

Es ist wieder einmal so weit: Die winterliche Ballsaison ist im vollen Gange und lädt in ganz Österreich zum Tanzen ein. Egal ob man am Wiener Opernball zwischen der Hautevolee sein Tanzbein schwingt oder am Rosenball sein schrillstes Kostüm präsentiert – auch heuer ist wieder unter den zahlreichen Events für jeden Geschmack etwas dabei. Was alle Bälle aber trotz der unterschiedlichen Locations, Gäste und dem dazugehörigen Ambiente vereint, ist der dort jährlich praktizierte Tanz: Der Walzer. Als König unter den Paartänzen bringt er mittlerweile seit knapp 200 Jahren wie kein anderer die Tänzerinnen und Tänzer zum Rotieren. Besonders der Wiener Walzer erfreut sich in unseren Breiten nach wie vor größter Beliebtheit. Kein Wunder, ist dieser Tanz doch stark mit der österreichischen Geschichte verwurzelt. Doch wie konnte sich ein Paartanz wie dieser so stark etablieren und wieso wird er auch noch im 21.Jahrhundert getanzt?

Der Ballsaal als Gesellschaftsspiegel

Um sich ein Bild von der Geschichte des Walzers zu machen, muss man bis ins 18. Jahrhundert zurückreisen und die damaligen sozialpolitischen Umstände vergegenwärtigen: In der damaligen Gesellschaft herrschte noch eine strenge Ständeordnung mit Geistlichen, Adeligen, dem Bürgertum und Bauern, was auch auf kultureller Ebene sichtbar wurde. Die vorherrschenden Tänze, die bis dato in den Prunksälen abseits des gemeinen Fußvolkes aufgeführt wurden, waren das Menuett und der Kontratanz. Beide galten als Gesellschaftstänze, die aus komplexen Figuren bestanden, wechselnde Partner voraussetzten und zu fast keinem Körperkontakt führten.

„In den Ballsälen wurde mit ihm die alte Ständeordnung aufgehoben; man walzte im Ball als Ereignis miteinander“ – Nicole Haitzinger

Unter manchen Tanzmeistern galt der aufkommende Walzer aufgrund des ungewöhnlich großzügigen Körperkontaktes als sittenwidrig und anstandslos, manche zweifelten sogar am ästhetischen Wert. Trotz dieser Kritik – oder vielleicht sogar gerade deshalb – verbreitete sich der Walzer als erster populärer Einzelpaartanz in allen Gesellschaftsschichten und läutete damit ein neues Zeitalter ein. Nicole Haitzinger, Tanz- und Musikwissenschafterin auf der Universität Salzburg, bezeichnet den Walzer aufgrund dieses Paradigmenwechsels auch als revolutionären Zeitgeist der Moderne, der schon bereits im 18. Jahrhundert seine Wellen schlug. „In den Ballsälen wurde mit ihm die alte Ständeordnung aufgehoben; man walzte im Ball als Ereignis miteinander“, erklärt Haitzinger im Interview.

Das Titelbild zu Thomas Wilsons "Correct Method of German and French Waltzing" (1816) © Wiki Commons

Der Mythos vom tanzenden Kongress

Ein Event der Sonderklasse half im 19. Jahrhundert vor allem im österreichischen Raum, den vorerst noch als sittenwidrig eingestuften Einzelpaartanz auch in den gehobeneren Schichten zu verbreiten: Der Wiener Kongress. Napoleon hatte gerade erst seine letzten Niederlagen zu verkraften, da riefen die Großmächte 1814 auch schon zum gemeinsamen Treffen in Wien, um Europas Ordnung wieder herzustellen. Da die Verhandlungen eher schleppend liefen und die Gastgeber daher auch auf gesellschaftlicher Ebene die verschiedenen Parteien zusammenführen wollten, wurde anstatt zu diskutieren eben getanzt. „Der in verschiedenen Varianten überlieferte Ausspruch ‚Le Congrès danse beaucoup, mais il ne marche pas‘ (Der Kongress tanzt sehr viel, kommt aber nicht weiter) wurde zu einem Stehsatz.“, erklärt Thomas Nußbaumer, Walzer-Autor und Musikwissenschafter am Mozarteum. Getanzt wurde damals kein anderer als der Wiener Walzer, der es laut diesem Mythos somit auch in die Prunksäle des Adels schaffte. Einer rasanten Verbreitung in allen Bevölkerungsschichten stand dem beliebten Paartanz nun nichts mehr im Wege.

Seit dem Wiener Kongress sind nun 200 Jahre vergangen und doch hat sich um den Walzer nichts verändert. Immer noch folgen zahlreiche Paare am Opernball der Massen-Tanzaufforderung und drehen sich die Füße wund. Beweis genug, dass es sich bei diesem Standardtanz um weit mehr als nur ein anthropologisches Überbleibsel aus längst vergangenen Tagen handelt.

Das How-To zum perfekten Walzer

Abgesehen von der Sechser-Schrittfolge ist das charakteristischste und wichtigste beim Walzer die Drehung. „Gut getanzt ist ein Walzer dann, wenn die in den Raum gerichtete Rotation genützt wird. Das heißt, ein Paar führt keine Auf- Ab-Bewegung aus, sondern strebt drehend in den Raum hinaus“, erklärt Gunhild Oberzaucher-Schüller, die ehemalige Leiterin der Derra de Moroda Dance Archives der Universität Salzburg. Der Dreivierteltakt eignet sich dafür besonders gut, wie Mozarteum-Professor Nußbaumer sagt: „Was den Dreivierteltakt meiner Meinung nach beim Tanzen auszeichnet, ist die regelmäßige Verlagerung des Gewichtes von rechts nach links. Das erzeugt einen gewissen Schwung, ein außerordentliches Gefühl.“ Bei wem die Sechser-Schrittfolge anstatt der perfekten Drehung eher eine Beinverknotung hervorruft, kann laut Nußbaumer auch einfach den sogenannten Fleckerlwalzer mimen, der aus einem Drehschritt nach vorne und einem nach hinten besteht. Und allen, die ihre Walzerschritte bis zum nächsten Ball noch etwas aufpolieren wollen, hilft einem dieses 2-Minuten-Tutorial zum Tanzerfolg. Ansonsten kann man beim Walzer nur raten: Am Ball bleiben!

Text: Michaela Pichler

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