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11. Februar 2020

Weniger arbeiten – Klima retten?

Von Schrödingers Katze
Allgemein
Weniger Arbeitszeit und geringere Produktivität sollen besser für das Klima sein, meinen ÖkonomInnen. Wie geht das?

Gründe für weniger Arbeitszeit gibt es reichlich: Eine bessere Work-Life-Balance ist gesund, familienfreundlich und fördert in einigen Fällen sogar die Produktivität. Die Ökonomin Halliki Kreinin von der WU Wien erklärt, wieso mehr Freizeit auch gut für das Klima sein könnte.

Schrödingers Katze: Sind Menschen unterm Strich produktiver, wenn sie weniger arbeiten?

Halliki Kreinin: Ich denke, dass die Frage der Produktivität nicht das zentrale Anliegen der Arbeitszeitverkürzung sein sollte. Wir sollten vielmehr die Arbeitszeit und die Produktivität reduzieren, also weniger produzieren, weil die gesellschaftliche Überproduktion und ihre enormen Auswirkungen auf das Klima so groß sind.

Zwei leere Schreibtische vor einer großen Fensterwand.
Ein leeres Büro muss auch nicht beheizt werden.

Wie können kürzere Arbeitszeiten dem Klima helfen?

In Bezug auf den Zusammenhang zwischen Nichtnachhaltigkeit und Produktion sollte die Arbeitszeitverkürzung mit einem Rückgang der Gesamtproduktion und der Produktivität einhergehen. Das derzeitige Wohlstandssystem basiert auf Wirtschafts- und Produktivitätswachstum. Da jedoch ein zu hohes Wirtschaftswachstum das Wohlergehen der Natur und des Menschen beeinträchtigt da das Produktivitätswachstum hauptsächlich auf Material- und Energieverbrauch beruht, kann weniger Arbeitszeit tatsächlich ein Weg sein, die „Produktivitätsfalle“ zu überwinden. Konsumwachstum wäre dann nicht länger nötig, um die Arbeitslosigkeit in Schach zu halten.

Zudem können die Menschen, wenn sie weniger arbeiten, angeblich mehr Zeit für zeitaufwändige nachhaltige Aktivitäten wie das Kochen zu Hause aufwenden und auf Kompensationskonsum und Convenience-Produkte,
die tendenziell weniger nachhaltig sind, verzichten.

„Im Allgemeinen besteht eine stärkere Korrelation zwischen dem Einkommen der Menschen und ihrem nachhaltigen Verhalten, als wenn sie sich selbst als ‚grün‘ betrachten.“

Halliki Kreinin
Eine Hand hält einen Schraubenschlüssel an einen Fahrradreifen.
Weniger Arbeitszeit bedeutet auch mehr Zeit für Reperaturarbeiten und dadurch auch weniger Müll.

Können sich kürzere Arbeitstage auch negativ auf das Klima auswirken?

Wie sich eine Arbeitszeitverkürzung auf die Nachhaltigkeit auswirkt, hängt auch davon ab, wofür die Menschen ihre Freizeit nutzen. Menschen können die ihnen zur Verfügung stehende Zeit nutzen, um nicht nachhaltigen Aktivitäten nachzugehen, wie zum Beispiel für einen Kurztrip wegzufliegen oder mehr zu konsumieren. Alles hängt von den Umständen dieser Arbeitszeitverkürzung ab. Im Allgemeinen besteht eine stärkere Korrelation zwischen dem Einkommen der Menschen und ihrer nachhaltigen Verhalten, als wenn sie sich selbst als „grün“ betrachten.

Weniger zu arbeiten kann den/die ArbeitgeberIn mehr kosten. Manche gehen jedoch davon aus, dass weniger Arbeit auch zu weniger Krankenstandstagen führt. Könnten sich die Mehrkosten für die Arbeitszeitverkürzung auf Dauer lohnen?

Ja, Arbeitszeitverkürzung ist im Allgemeinen wahrscheinlich eine gesunde Sache für die Gesellschaft, mit oder ohne Lohnausgleich. In Bezug auf die Lohnkompensation stimme ich nicht zu, dass es aus rein ökologischer Sicht eine gute Idee ist, wenn alle für ihre Arbeitszeitverkürzung gleichermaßen entschädigt werden. Diejenigen, die bereits über dem Medianlohn verdienen, müssen wahrscheinlich ihren Verbrauch auf ein nachhaltiges Niveau senken, während diejenigen, die unter prekären Bedingungen arbeiten, wahrscheinlich mehr Lohn für die Verkürzung ihrer Arbeitszeit erhalten sollten.

Die zusätzlichen Kosten sind das allerdings wert, da wir unsere Produktivität und unser Wirtschaftswachstum tatsächlich in erster Linie aktiv reduzieren sollten. Gegenwärtig sieht es danach aus, dass wir bis zur Mitte des Jahrhunderts vor dem Zusammenbruch des Systems stehen werden, weil wir viel zu gut darin sind, Dinge zu produzieren und zu konsumieren. Wir sollten also weniger produktiv werden und unsere Volkswirtschaften abbauen. Dies steht natürlich im Widerspruch zu vielem, was uns beigebracht wurde, sowie zu der Art, wie wir Wohlstand messen.

Eine dunkelhaarige und eine blonde Frau sehen auf denselben Computerbildschirm. Im Hintergrund sitzt ein Mann ebenfalls an einem Computer.
Was haben Frauen davon, wenn alle weniger arbeiten?

Welche Änderungen bringt es für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern mit sich, wenn weniger Lohnarbeit geleistet wird?

Nun, es hängt davon ab, wie die Arbeitszeitverkürzung umgesetzt wird. Im Allgemeinen sollte die tägliche und wöchentliche Verkürzung der Arbeitszeit für die Gleichstellung der Geschlechter und sowie das Klima vorteilhafter sein, da Männer sich an reproduktiven Arbeiten beteiligen und Frauen mehr produktiver, bezahlter Arbeit nachgehen können. Arbeitszeitverkürzungen in Form von mehr Urlaubstagen haben wahrscheinlich entweder keinen großen positiven Effekt auf die Gleichstellung oder könnten sich sogar negativ auswirken.

Stellt die Väterkarenz nicht so ein Modell da?

Es müssen viele gesellschaftliche Gegebenheiten und Geschlechtsnormen geändert werden, damit die Arbeitszeitverkürzung positive Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter hat. Obwohl viele Väter in Schweden in Karenz gehen, bedeutet das nicht, dass sie alle erforderlichen reproduktiven Arbeits- und Betreuungsleistungen erbringen, die von Frauen erwartet werden, wenn sie in Karenz gehen. Das bedeutet, dass Frauen auch nach der Arbeit zu Hause putzen und kochen müssen, obwohl sich der Vater in Karenz befindet.

Wenn eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung zu einer echten Geschlechtergleichstellung und einer Verringerung des Lohngefälles, also auch einer Verringerung der unbezahlten Arbeit von Frauen im Vergleich zu Männern, führen soll, brauchen wir auch einen gesellschaftlichen und institutionellen Wandel, der Männer ermutigt, sich an reproduktiver Arbeit zu beteiligen. Richtlinien sind ein guter Ausgangspunkt, aber allein nicht genug. Man muss auch bedenken, dass die Auslagerung von reproduktiver Arbeit wie Putzen, Kochen, Betreuung von Kindern und älteren Menschen an Migrantinnen keine Gleichstellung der Geschlechter, sondern nur die Auslagerung von reproduktiver Arbeit an noch stärker benachteiligte Frauen darstellt.

Porträt-Foto von Halliki Kreinin vor weißem Hintergrund. Sie hat lange Haare und trägt eine geblümte Bluse.
Halliki Kreinin MSc, MA vom Institut für Ökologische Ökonomie der WU Wien.

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