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Eine Person mit blonden Haaren liegt auf einer Picknickdecke und liest ein Buch mit dem Titel "One Hundred and One Classic Love Poems".
12. Dezember 2020

Wie Literatur unsere Vorstellung von Liebe beeinflusst

Von Schrödingers Katze
Liebe/Geschlechter
Liebe ist eines der ältesten Themen der Literatur. Wie steht es heute um sie?

Liebe war schon immer Stoff für Geschichten, doch so wie heute schreibt man noch nicht lange über sie. Bei der Tagung „Liebe & Ökonomie. Literarische Aushandlungen“ an der Uni Klagenfurt war der Name Programm. Die Germanistin Gerda Moser hat die Tagung mitorganisiert und gibt bei Schrödingers Katze Einblick in die Liebesliteratur von damals bis heute.

Das Bild zeigt ein Regal voller alter Bücher, schräg von unten fotografiert.
Als Minnesänger über die Liebe sangen, war es den meisten Menschen von niedrigem gesellschaftlichen Stand nicht erlaubt, zu heiraten.
Foto: Cristina Gottardi / Unsplash

Mann und Maid

Begonnen hat das mit der Liebe in der Literatur wohl mit dem Minnesang im 12. Jahrhundert. Die Minnesänger warben mit ihren Liedern um die Liebe höhergestellter Damen. Die konnten das Werben der Sänger akzeptieren oder nicht.

„Das war, das zeigten erneut die Vorträge der Kolleginnen aus der Älteren Deutschen Literatur bei der Tagung, ein Kontrastprogramm zu den realen Gegebenheiten der Zeit, da Frauen kaum die Freiheit hatten, zu wählen“, so die Germanistin Gerda Moser.

„Im Minnesang wurde ein literarischer Gegenentwurf, ein Versuch der Zähmung und kulturellen Veredelung vor dem Hintergrund von Gewaltverhältnissen vorgenommen.“

Auch in mittelalterlichen Romanen war die Liebe Thema. In den Aventiuren von Parzival aus dem 13. Jahrhundert spielt sie allerdings eine ganz andere Rolle als heute: „Die Liebesgabe bei Parzival, eine Form der bedingungslosen Liebe, ist etwas, das wir heute in den New Adult Liebesromanen nicht mehr sehen. Da hat sich das Konzept der Gegenseitigkeit, des Lernens und Profitierens voneinander im Sinne einer gegenseitigen Therapie fix verankert“, so Moser.

Ein Person sieht sich Bücher in einem Buchladen an. Sie trägt einen braunen Mantel, eine Strickmütze und hat lange Haare.
Das Publikum von Liebesromanen ist übrigens nicht zwangsläufig weiblich, so die Germanistin Gerda Moser.
Foto: Hatice Yardım / Unsplash.

Liebe nur im Buch

In der Klassik im 18. Jahrhundert gab es einen großen Bruch bei der Vorstellung von Partnerschaft. Dominierend war damals das bürgerliche Ideal der traditionellen Ehe und Familie, in der alle ihren Platz haben und funktionierender Teil der größeren Gesellschaft sind. Liebe war sekundär, bis sie dann in der Literatur auftauchte.

„Zur Zeit der bürgerlichen Revolution wird die Literatur zu einem zentralen Promotor eines Liebesideals, das Klassenschranken sprengt oder zumindest an den Gitterstäben der ständischen Ordnung rüttelt oder den Stimmen, die darüber verzweifeln, einen Ausdruck gibt“, erklärt die Germanistin Gerda Moser.

„Mit dem 19. Jahrhundert suchte man in der Literatur nach dem Platz der Liebe in der Ehe. Das Konzept der Ehe wurde auf ironische und humorvolle Art zu retten versucht. Es wurde auch zunehmend kritisch betrachtet, vor allem aus der Perspektive von Autorinnen und weiblichen Figuren.“

Zwei männlich lesbare Menschen liegen auf einer Couch. Einer liegt mit dem Kopf auf dem Schoß des anderen und liest in einem Buch.
Alternative Beziehungskonzepte zu monogamen, heterosexuellen Paaren sind in der Populärliteratur nur in Nischen zu finden.
Foto: Ketut Subiyanto / Pexels.

Popliteratur immer noch altmodisch

In den sogenannten New Adult-Liebesromanen, die heute den Markt in diesem Bereich dominieren, finden wir heute immer noch Beziehungskonzepte, die altmodisch und stereotyp sind. In der Hochliteratur, der sogenannten Höhenkammliteratur, wird das thematisiert.

„In der Populärliteratur wird an einem problematischen Konzept von Liebe festgehalten, das in der Höhenkammliteratur massiv kritisiert wird: die Vorstellung von Heilung durch Liebe und weiblicher Macht durch stetiges und unerschütterliches Bemühen um Zweisamkeit und Partnerschaft“, so Gerda Moser. Die Frau ist also verantwortlich dafür, dass die Beziehung in allen Bereichen funktioniert.

„Wobei hier mit großen Kontrasten zwischen den Charakteren gearbeitet wird. Zum einen gibt es den Bad Boy, oder auch schon ein Bad Girl, mit weitreichender sexueller Erfahrung. Dieser Charakter ist aggressiv, herausfordernd, faszinierend“, erzählt Moser. „

Auf der anderen Seite steht ein jungfräuliches ‚Dornröschen‘ mit Herz, das ‚erweckt‘ werden will und dem gelangweilten und erfolgsverwöhnten Verführer aufgrund einer unschuldigen und berührenden Tollpatschigkeit oder Kratzbürstigkeit interessant erscheint. Das mag vielleicht gar nicht mehr so realistisch sein, aber es erzeugt doch unterhaltsame Spannung.“ Nicht-heterosexuelle Beziehungen, die vielleicht auch aus mehr als zwei Personen bestehen, seien außerdem immer noch Nischenthemen.

Das Publikum dieser Romane lese sie zwar gerne, doch nicht, ohne sich über problematischen Beziehungskonstellationen auszutauschen. So die Germanistin Moser: „Leser*innen fragen sich, ob durch New Adult-Romane Gewalt in der Beziehung verharmlost wird, da ja ein gewisser Happy-End-Zwang besteht. Insbesondere die Unerschütterlichkeit in der Liebe wird von manchen kritisch gesehen, wieder andere schmachten allerdings mit und hoffen, dass es gut ausgeht. „

Diese Darstellungen von Liebe, die wir in der Literatur sehen, können auch einen negativen Einfluss auf unsere Beziehungen haben, meint Moser. Wir würden dadurch möglicherweise zu hohe oder nicht die richtigen Ansprüche an Beziehungen stellen, denn die haben im echten Leben nicht unbedingt das Happy End, das im Buche steht.

Gerda Moser steht für einem Bücherregal und hält ihr Büromaskottchen, einen Ausdruck von King Julien aus dem Film Madagascar, in die Höhe.
Sen. Scientist Mag. Dr. Gerda Elisabeth Moser vom Institut für Germanistik der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (mit ihrem Büromaskottchen King Julien aus dem Film „Die Tiere von Madagaskar“).
Foto: Privat.

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