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22. Dezember 2015

Unterwegs – Musikhören im öffentlichen Raum

Von Schrödingers Katze
Erde
Musik ist in der heutigen Zeit allgegenwärtig. Ein Blick ins Internet lässt erahnen, mit welchem musikalischen Über-Angebot wir täglich konfrontiert sind. Schrödingers Katze hat sich deshalb mit der Musikpädagogin Christina Jakovljevic-Wippel und dem Musiksoziologen Michael Huber von der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien über ihr gemeinsames Projekt "Unterwegs. Das Musiktagebuch" unterhalten, in dem musikalische Verhaltensweisen von Jugendlichen genauer unter die Lupe genommen werden.

Es ist Montag Früh, der Schlaf versteckt sich noch in den müden Augen und die U-Bahn ist gesteckt voll – da hilft nur ein Griff zum Smartphone, Stöpsel rein, Welt aus. Täglich kann man solche Verhaltensweisen in der U-Bahn oder in der Straßenbahn, auf den Weg zur Schule oder in die Arbeit, beobachten. Mit Kopfhörern und der passenden Playlist bewaffnet kann man die Umwelt samt ihrem Lärmpegel gleich viel leichter ertragen.

Das konnten auch Christina Jakovljevic-Wippel und Michael Huber vom Institut für Musiksoziologie, während ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen an der MDW feststellen. Gemeinsam arbeiten sie an dem Forschungsprojekt „Unterwegs. Das Musiktagebuch„, das sich mit dem Musikhören im öffentlichen Raum beschäftigt und dabei die Erfahrungen und Verhaltensweisen von jungen Erwachsenen näher beleuchtet. „Grundsätzlich wird von der Annahme ausgegangen, dass Musik für Jugendliche eine wichtige Rolle spielt. Voruntersuchungen haben bereits gezeigt, dass in erster Linie unterwegs Musik gehört wird“, erzählt Musikpädagogin Wippel. „Unterwegs“ spricht daher speziell 15 bis 19-Jährige an, die im Zuge des Projekts ihre Gedanken auf dem Blog teilen und austauschen können – egal ob in Form von Texten, Fotos oder Videos. Die ersten Beiträge sind bereits online und zeigen, wie selbstreflektiert mit diesem Thema umgegangen wird. Im kommenden Sommersemester geht „Unterwegs“ in eine neue Runde und bietet mit Workshops eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Hörwahrnehmung.

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Unterwegs hört es sich am besten

Die zentrale These des Projekts, dass Menschen am häufigsten unterwegs zu den Kopfhörern greifen, wurde gerade erst von Michael Huber nachgewiesen. „Wir haben im Sommer österreichweit eine repräsentative Befragung zum musikalischen Verhalten durchgeführt, in der sich ganz klar herauskristallisiert hat, dass das Unterwegs-Sein die Situation im Alltag ist, in der am liebsten Musik gehört wird“, meint der Musiksoziologe im Interview. In diesem Punkt sind sich Österreicherinnen und Österreicher einig. Beim Sport sieht die Sache allerdings schon anders aus: In der Befragung hat sich herausgestellt, dass junge Menschen bei körperlichen Aktivitäten wie Joggen oder im Fitnessstudio Musik ganz bewusst einsetzen. Ältere Generationen empfinden dies hingegen als störend und verweigern in solchen Situationen die Kopfhörer. Die genauen Ergebnisse aus dieser Studie werden 2016 publiziert.

Aus Michael Hubers Sicht gibt es mehrere Gründe, wieso genau unterwegs am häufigsten Musik gehört wird. „Zum einen dient sie zur Vertreibung von Langeweile, wenn ich zum Beispiel in der U-Bahn oder im Auto sitze. Das sind repetitive, nicht-fordernde Tätigkeiten, die Langeweile produzieren.“ Ein weiterer Grund ist die Abschottung, die mit dem Musikhören im öffentlichen Raum einhergeht. Viele Personen wollen mit dem Tragen von Kopfhörern – ohne manchmal dabei überhaupt Musik zu hören – einfach nur signalisieren, dass sie allein sein wollen. Manche teilen sich allerdings auch Musik, um Gemeinsamkeiten zu zelebrieren. Musikpädagogin Jakovljevic-Wippel sieht auch in der Angst einen wichtigen Auslöser, beispielsweise, wenn man in der Nacht allein nach Hause geht. „In Situationen, die angsteinflößend sind, kann man auch wieder das Phänomen beobachten, dass man sich nur die Kopfhörer aufsetzt, um Abschottung zu signalisieren. In Wahrheit hat man aber den absoluten Überblick.“

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Digital Natives und ihre Weapon of Choice Number One!

Ein hierfür wichtiges Schlagwort, das vor allem als musikalische Verhaltensweise bei Jugendlichen sichtbar wird, ist das Mood Management. Da in der heutigen Zeit jegliche Art von Musik überall und jederzeit verfügbar ist, müssen Digital Natives der jüngeren Generationen bestimme Auswahlstrategien entwickeln, um in der Flut des Überangebots für sich selbst interessante Musik herausfiltern zu können. Für viele Jugendliche ist daher die Wirkung, die das Gehörte auslöst, ein zentrales Thema. Playlists werden nicht mehr nach Künstler oder Genre sortiert, sondern nach dem Stimmungsgehalt. Das wichtigste Speichermedium und Abspielgerät ist dabei das Smartphone. Bereits 2013 hat sich Christina Jakovljevic-Wippel diesem Thema mit einer empirischen Untersuchung gewidmet und in Bezug auf Musik und Besitz interessante Erkenntnisse erlangt: Die These, dass der materielle Besitz durch neue Technologien wie Streaming für Digital Natives unwichtig wird, konnte widerlegt werden. Das Smartphone als Speichermedium und Abspielgerät der beliebten Playlists ist als Eigentum und Mood-Manager für Jugendliche zentral. „Der Verlust eines solchen wird deshalb auch als sehr dramatisch empfunden“, erzählt die Musikpädagogin.

„Es ist unglaublich, wie gut die Jugend von heute drauf ist. Vorurteile wie das typische „die Jugend von heute“ waren noch nie so unsinnig wie heute.“ – Michael Huber

Von wegen „die Jugend von heute…“!

Das Misstrauen, das von älteren Generationen gegenüber dem Internet und Streaming-Diensten entwickelt wird, können Michael Huber und Christina Jakovljevic-Wippel nicht teilen. Viel eher handelt es sich dabei um eine typische Erscheinung, die immer wieder in der Bevölkerung bei technischen Umbrüchen zu beobachten ist. Die These, dass man vom Fernsehen viereckige Augen bekommt, hat sich schließlich auch nie bewahrheitet. Der Musiksoziologe Michael Huber sieht in den neuen Formen daher vielmehr einen größeren Pool von Möglichkeiten, der sich auch in der Musik widerspiegelt. „Wir haben in Österreich noch nie so viel gute, interessante Musik gehabt wie jetzt.“ Und um die neuen Generationen muss man sich diesbezüglich auch keine Sorgen machen. „Es ist unglaublich, wie gut die Jugend von heute drauf ist. Vorurteile wie das typische „die Jugend von heute“ waren noch nie so unsinnig wie heute.“

Text: Michaela Pichler

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