Ob Spiele am Computer oder (Lern-)Apps am Smartphone – die meisten Kinder nützen softwarebasierte Technologien gerne. Leider sind einige dieser Technologien nicht oder nur bedingt geeignet für Kinder mit Entwicklungsstörungen, sagt Katrin Bartl-Pokorny. Sie ist seit 2010 an der Medizinischen Universität Graz tätig und befasst sich unter anderem mit dem Sprach- und Kommunikationserwerb in den ersten Lebensjahren, Sprachstörungen, sowie mit sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten von Kindern mit Entwicklungsstörungen. Dies tut sie unter anderem im Rahmen des von der europäischen Union geförderten Erasmus+ Projekts „TE(A)CHADOPT – Teaching students how children with neurodevelopmental disorders adopt and interact with technologies“.
Leitlinien erstellen
Katrin Bartl-Pokorny und ihr Team aus Forscher*innen und Therapeut*innen aus sechs Ländern forschen dazu, wie Kinder mit Entwicklungsstörungen Technologien akzeptieren, bewerten und damit interagieren. Zudem erfolgen eigene Datenerhebungen und -analysen in verschiedenen Ländern. „Wir werden eine Beobachtungsstudie mit 25 Kindern durchführen, Leitlinien zur Bewertung der Interaktion von Kindern mit Technologien entwickeln und diese in sechs Sprachen zur Verfügung stellen“, erklärt Katrin Bartl-Pokorny. Damit kann künftig Technologieanbieter*innen bei der Gestaltung von barrierefreien Technologien geholfen werden und Studierenden verschiedener Fächer (wie Medizin, Psychologie, aber auch Informatik und Elektrotechnik) wesentliches Wissen über Barrierefreiheit vermittelt werden, welches sie in ihrem zukünftigen Berufsleben praktisch anwenden werden.
Aktuelle Probleme
Warum viele Technologien ungenügend oder gar nicht geeignet für Kinder mit Entwicklungsstörungen sind, erklärt die Expertin so: „Die Gründe hierfür sind vielseitig und hängen mit der Symptomatik der Kinder zusammen: Zu Problemen kommt es beispielsweise, wenn Kinder nicht gut lesen oder sprechen können oder Schwierigkeiten mit dem Gebrauch ihrer Hände haben.“
Unterstützung bei Therapien
Softwarebasierte Technologien können Kindern mit Entwicklungsstörungen durchaus helfen und sie kommen etwa bei folgenden Störungsbildern zum Einsatz: Autismus-Spektrum-Störung, Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS), intellektuelle Entwicklungsstörung, und Störungen der Sprech- oder Sprachentwicklung. Eine wichtige Rolle für Kinder mit Entwicklungsstörungen spielen etwa unterstützende Technologien wie Geräte, die den Kindern das Sprechen erleichtern (sogenannte Sprachausgabegeräte), und Systeme, die die Verwendung einer Tastatur oder Maus ersetzen. Darüber hinaus können Technologien die Kinder bei ihren Therapieeinheiten unterstützen: So werden im Rahmen der Therapie für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung zunehmend soziale Roboter eingesetzt. Diese sozialen Roboter drücken Emotionen immer auf die gleiche Art und Weise aus – genau das ist ein Vorteil für autistische Kinder. Katrin Bartl-Pokorny: „So ist es für Kinder mit Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen einfacher gewisse Fähigkeiten wie die Erkennung von Emotionen mit Robotern zu trainieren als sich Emotionen ausschließlich basierend auf Beispielen menschlicher Mimik anzueignen. Die immer gleichen Emotionsausdrücke des Roboters vereinfachen das Lernen und geben den Kindern ein Gefühl von Sicherheit. Nach und nach können über den Roboter dann Interaktionen mit anderen Menschen angebahnt und trainiert werden.“
Teilhabe ermöglichen
Softwarbasierte Technologien fördern zudem die soziale Teilhabe: Kinder mit geringen sprachlichen Fähigkeiten können dank dieser Technologien besser mit ihren Bezugspersonen interagieren, sie können ihre Wünsche und Bedürfnisse leichter mitteilen. Bestenfalls macht es den Kindern auch Spaß, diese Technologien zu verwenden: „Das ist ein wesentlicher Aspekt unseres Projekts: Nur Technologien, die sich für die Kinder als nützlich herausstellen und welche ihnen Freude bereiten, werden auch tatsächlich regelmäßig verwendet werden und können somit ihr volles Potenzial entfalten. Denn was nützt ein toller Roboter oder eine teure Therapie-App, wenn das Kind sich nicht dafür interessiert und diese Dinge somit auch nicht verwendet?“
Barrierefreie Technologien
Obwohl es verschiedene individuelle Faktoren gibt, die eine Technologie möglichst barrierefrei machen, erwähnt Katrin Bartl-Pokorny folgende bedeutende Eigenschaften: „Ideal wären Technologien, die sich möglichst unkompliziert an die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes anpassen lassen, ohne dass hierfür zum Beispiel ein*e Programmierer*in gebraucht wird. Ansätze der Künstlichen Intelligenz könnten sich hier als gewinnbringend erweisen.“ Als Beispiel nennt die Expertin abermals Roboter, die künftig basierend auf den Lautäußerungen oder den Gesichtsausdrücken des Kindes erkennen, wie es diesem gerade geht und inwiefern die aktuelle Therapie angepasst werden muss, damit sich das Kind wohlfühlt und weder überfordert noch gelangweilt ist. Katrin Bartl-Pokorny nennt abschließend weitere Kriterien für barrierefreie Technologien: „Manche Kinder fürchten sich vor lauten Geräuschen oder zu aufregend flackernden Lichteffekten – es wäre hilfreich, wenn Technologien sich zum Beispiel durch wenige Klicks so anpassen ließen, dass Geräusche und Lichteffekte für das jeweilige Kind angenehm sind.“
