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Eine Brille liegt auf einem Gesetzesbuch.
4. Mai 2022

Langer Weg zur Geschlechtergleichstellung

Von Schrödingers Katze
Gesellschaft
Seit zehn Jahren sind Gehaltsangaben in Stellenanzeigen verpflichtend – auch um die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen zu verhindern. Die beiden Wirtschaftswissenschaftlerinnen Astrid Reichel und Isabella Scheibmayr von der Paris Lodron Universität Salzburg haben erforscht, wie ambivalent diese gesetzliche Regelung umgesetzt wird.

Wer in den letzten Jahren einen Job gesucht hat bzw. aktuell sucht, orientiert sich auch an den Gehaltsangaben in Jobannoncen. Verpflichtend eingeführt wurden diese 2011 mit dem Ziel, den Arbeitsmarkt gerechter zu gestalten und den Gender Pay Gap in Österreich zu schließen. Doch was wurde daraus?

Astrid Reichel und Isabella Scheibmayr (Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Fachbereich BWL) der Paris Lodron Universität Salzburg haben in einem gemeinsamen Forschungsprojekt über 300 Dokumente wie Gesetzesentwürfe, parlamentarische Protokolle, Stellungsnahmen, Implementierungsrichtlinien von Sozialpartnern sowie Texte von Personalmanager*innen und Personaldienstleister*innen rund um die Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2011 zum Gleichbehandlungsgesetz gesammelt und analysiert. „Was die Implementierung des Gleichbehandlungsgesetzes durch HRM-Praktiker*innen angeht, ist dies nur teilweise gelungen. Wir finden hier ambivalente Ergebnisse, da die Umsetzung nicht mehr unter dem Gesichtspunkt von Gleichstellungszielen, sondern unter Personalmanagement-Gesichtspunkten diskutiert wurde. Mit Blick auf das Gewinnen von qualifiziertem Personal bei möglichst geringen Personalkosten kommen mitunter Praktiken ins Spiel, die einer Gleichstellung nicht zuträglich sind“, so Reichel und Scheibmayr. So wurde etwa argumentiert, dass mit der Nennung des Mindestgehalts in den Anzeigen nicht mehr über Gehaltsvorstellungen bei Bewerbungsgesprächen gesprochen werden müsse. Dies widerspreche der eigentlichen Intention des Gesetzes, wie Reichel und Scheibmayr betonen. Gleichzeitig hätten jedoch einige HRM-PraktikerInnen auch für eine Implementierung über das gesetzliche Minimum hinaus argumentiert.

Erweiterung des Gesetzes

2013 wurde die verpflichtende Nennung eines Gehalts erweitert und zwar um Arbeitsverträge, die keinem gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Minimum unterliegen. Diese mussten nun ebenso ein Mindestgehalt in den Jobannoncen angeben. Die Gesetzeserweiterung betraf jedoch nur wenige Personen, da laut OECD 98% der unselbstständig Beschäftigten in Österreich einem Kollektivvertrag unterliegen. Die Erweiterung des Gesetzes führte nicht unmittelbar zu mehr Geschlechtergleichstellung, sondern zu einer Verschiebung des Diskurses:

„Durch den Begriff der ‚Verhandlung‘ hat sich der Diskurs weg von Organisationen als Arbeitgeber*innen, die für transparente Informationen sorgen sollen, hin zu Frauen als Bewerberinnen verschoben“, erläutern Reichel und Scheibmayr. „Dabei wird impliziert, dass Frauen weniger ambitioniert und geübt verhandeln würden.“ Später hat sich bei Personaler*innen jedoch berufsspezifische Logik durchgesetzt, „bei der Gehaltsangaben in Stellenausschreibungen strategisch genutzt werden, um qualifizierte Bewerber*innen anzusprechen“, so Reichel und Scheibmayr.

Zielsetzung vs. Umsetzung

Die beiden Wissenschafterinnen haben in einer Studie auch Beispiele dafür gefunden, dass es beim Thema Geschlechtergleichstellung oft eine Lücke zwischen dem eigentlichen Ziel und der tatsächlichen Umsetzung gibt: „In der Gesetzgebungsphase wurde das Prinzip der Gleichstellung verfolgt und auch von Praktiker*innen stark unter diesem Gesichtspunkt mitdiskutiert. Hier wurde etwa von HRM-Praktiker*innen eingebracht, dass mehr Gleichstellung erreicht werden könnte, wenn tatsächliche Gehälter anstatt Mindestlöhnen in Stellenausschreibungen zu finden wären.“ Später wurden zwar vermehrt realistische Gehälter genannt, jedoch kam es auch zu Praktiken, die Gleichstellungszielen entgegenstehen. So wurden etwa Gehaltsverhandlungen durch die Angabe von Gehaltsangaben in den Jobannoncen gänzlich gemieden oder der Verhandlungsspielraum durch das Abfragen von vorherigen Gehältern eingeschränkt. Beides widerspricht klar der ursprünglichen Intention des Gesetzes.

„Insgesamt finden wir daher ein ambivalentes Bild, wenn es um die Umsetzung von Gleichstellungszielen geht“, so Astrid Reichel und Isabella Scheibmayr abschließend.

Und der Gender Pay Gap in Österreich? Der muss immer noch geschlossen werden. Österreich zählt weiterhin zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern: Der Gender Pay Gap lag hier laut Eurostat 2020 bei 18,9 Prozent – das ist deutlich über dem EU-Schnitt (EU-27) von 13,0 Prozent.

Forscherinnen Isabella Scheibmayr und Astrid Reichel
Isabella Scheibmayr und Astrid Reichel von der Universität Salzburg © Michaela Fellinger

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