„Aktive Mobilität ist der Sammelbegriff für jene Mobilitätsformen, bei denen Muskelkraft benötigt wird, um sich in unserer gebauten Umwelt fortzubewegen“, erklärt die Architektin und Städteplanerin Aglaée Degros. Das schließt Zufußgehen, Rad fahren, die Nutzung von Scootern, Skateboards und E-Bikes mit ein.
„Mobilität ist dann gelungen, wenn jede Zielgruppe die für sie und die Gesellschaft beste Mobilitätsform wählen kann“, so die Expertin. Menschen sollten ihre Wege nur dann mit dem Auto zurücklegen, wenn es keine Alternative gibt. Nur so kann Mobilität nachhaltig stattfinden und im Sinn einer klimaschonenden und zukunftsgerechten Mobilität gesund und sozial sein. Das ist in Zeiten des Klimawandels besonders bedeutend und benötigt einen entsprechenden öffentlichen Rahmen: „Es braucht eine sichere Verkehrsinfrastruktur, eine attraktive Gestaltung des öffentlichen Raums, Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Wertschätzung.“
Neues Mobilitätsangebot
Zufußgehen ist bereits jetzt in Österreich die häufigste Mobilitätsform im Alltag: 73 % gehen mehrmals pro Woche zu Fuß (Quelle: VCÖ). Aglaée Degros ist überzeugt, dass sich bei Mobilität viel entwickelt, das Thema wird aber in der Öffentlichkeit oft im Zusammenhang mit neuen Technologien – wie autonomen Fahrzeugen und Autos mit alternativen Antrieben – in Verbindung gebracht. Die Expertin gibt zu bedenken, dass diese Lösungen nicht ausreichen werden, um Problemen wie Emissionen, Platzbedarf und Bewegungsmangel Herr zu werden. Daher braucht es neue Initiativen.
Aglaée Degros nennt konkrete Beispiele: „Paris hat in den letzten Jahren massiv Platz für den Radverkehr geschaffen, Gent hat die Innenstadt für die aktive Mobilität geöffnet und Kfz-verkehrsberuhigt und Gemeinden in Vorarlberg und anderswo fordern eine Tempo-30-Beschränkung im Ortszentrum und autofreie Sonntage in Ried.“
Geh- und Radinfrastruktur
Lastenräder erfreuen sich ebenso erhöhter Beliebtheit: Die Bundesförderung hat dem Anteil von Lastenfahrrädern in Österreich zu einem Aufschwung verholfen – 2022 hat sich der Markt (im Vergleich zu 2021) zum zweiten Mal verdoppelt. Dadurch wird die multimodale Mobilität (die Kombination von verschiedenen Verkehrsmitteln) gefördert. Zudem war 2022 jedes zweite verkaufte Fahrrad ein E-Bike – ein zusätzliches Indiz für die Relevanz aktiver Mobilität. Diese Entwicklungen sind erfreulich, sie bringen den öffentlichen Raum aber an seine Grenzen, da es eine passende Geh- und Radinfrastruktur braucht.
Lebensqualität
Dementsprechend muss Platz für aktive Mobilität im öffentlichen Raum geschaffen werden. Das ist eine Herausforderung, denn dieser stand in den letzten 60 Jahren fast ausschließlich Kfz-Fahrzeugen zur Verfügung. Der Fokus sollte weg von den Kraftfahrzeugen rücken. Aglaée Degros betont die Vorteile: „Tatsächlich wird dadurch Raum und Lebensqualität für alle Menschen gewonnen.“
Öffentliche Mobilität sollte sich an den Bedürfnissen aller orientieren und davon ausgehend passende Verkehrsangebote ableiten. Besonders Menschen, die bisher wenig bis gar nicht mobil waren, profitieren davon. Öffentliche Mobilität forciert ebenso aktive Mobilität, in dem der Fußverkehr gestärkt wird. Zudem wertet sie den öffentlichen Raum auf und verringert Kosten im Gesundheits- und Umweltbereich.
Stadt vs. Land
Urbane und ländliche Räume haben unterschiedliche Voraussetzungen für aktive bzw. öffentliche Mobilität: Städte haben eine gute Infrastruktur, viele Menschen nützen dort die öffentlichen Verkehrsmittel. „Gleichzeitig gibt es nur begrenzt verfügbaren Platz. Diesen aufzuteilen, ist eine der großen Herausforderungen in urbanen Räumen.“ Am Land gibt es ausreichend Platz, doch die Strecken sind oft länger und können schlechter zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Der öffentliche Verkehr ist schlechter ausgebaut und kostenintensiv, da die Menge an beförderten Personen geringer ist. Doch die Expertin ist positiv: „Im ländlichen Raum gibt es immer mehr Mobilitätskonzepte, die auch die aktive Mobilität berücksichtigen.“
Klimawandel
Aktive und öffentliche Mobilität kann man nicht vom Klimawandel entkoppelt betrachten, denn mehr als ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen werden im Verkehrssektor erzeugt. „Durch eine Verlagerung des Verkehrs weg vom individuellen Verbrennungsmotor hin zu anderen – nachhaltigeren und vor allem aktiven – Verkehrsformen besteht großes Potential für eine Senkung der Emissionen, Steigerung der Gesundheit und mehr attraktive Wohnumfelder.“
Aglaée Degros leitet das Institut für Städtebau an der Technischen Universität Graz. Dort ist auch das Zentrum für Aktive Mobilität eingegliedert. Da es sich dabei um ein interuniversitäres Zentrum handelt, findet sich dieses auch an der Universität Graz unter der Leitung von Professorin Nina Hampl am Institut für Umweltwissenschaften wieder. Gemeinsam wollen sie mit der Forschung am Zentrum einen Beitrag dazu leisten, bessere Rahmenbedingungen für aktive und öffentliche Mobilität zu schaffen.
