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Verdeutlicht das Treiben auf einer adeligen Grundherrschaft mit früher Industrie: der Titelkupfer über die Waldsteinschen Manufakturen, vorne in der linken unteren Ecke sieht man, wie Beamte und Händler Geld zählen, im Hintergrund ist das protoindustrielle Dorf zu sehen und über allem prangt Karl VI.
27. Dezember 2025

Wie verdiente der Adel in der Habsburgermonarchie Geld?

Von Schrödingers Katze
Philosophie & Geschichte
Veronika Hyden-Hanscho forscht dazu, welche Einkommensquellen adelige Familien in der Habsburgermonarchie hatten.

Die Habsburger herrschten von 1273 bis 1918 in Österreich. Sie befassen sich damit, wie der Adel in der Habsburgermonarchie zu Geld kam. Welche primären Einnahmequellen gab es hier?

Bislang konnte ich vier große Tätigkeitsfelder identifizieren: Die Verwaltung von Ländereien, die Ausübung öffentlicher Ämter, die protoindustrielle Produktion von Gütern (Textil und Eisen) und die Teilnahme am Kredit- und Anleihenmarkt. Der letzte Punkt ist vielleicht der spannendste Aspekt, weil er eine direkte Verbindung zur Staats- und Kriegsfinanzierung der Habsburger herstellt: Da in der Frühen Neuzeit stets ein Mangel an Münzen herrschte, wurden zahlreiche Finanztransaktionen bargeldlos abgewickelt. Grundkäufe, die Zahlung von Mitgiften aber auch alltägliche Verbindlichkeiten wurden über Schuldverschreibungen dokumentiert und gegengerechnet. Überschüsse wurden in staatlichen Kassen veranlagt. Damit konnten Adelige Zinsen lukrieren und Gewinne erwirtschaften, aber auch Schulden machen.

Die Zeit der Habsburger dauerte ungefähr 650 Jahre. Weiß man wie viel Prozent der damaligen Bevölkerung zum Adel zählte?

Dieser Anteil war regional unterschiedlich hoch: Der Anteil des böhmischen Adels an der Gesamtbevölkerung lag im 17. Jahrhundert bei ca. 1 % und reduzierte sich auf 0,1 % am Ende des 18. Jahrhunderts. In Niederösterreich sank der Adelsanteil an der Bevölkerung im 17. Jahrhundert bereits auf ca. 0,5 % und blieb dann konstant, während in den übrigen österreichischen Ländern der Anteil noch weit unter diesem Wert lag. In anderen Teilen der Monarchie war der Anteil etwas höher, etwa in den Österreichischen Niederlanden, in Ungarn dagegen deutlich höher.

Auf welche Quellen können Sie sich in Ihrer Forschung beziehen?

Ich arbeite mit einer Vielzahl von handschriftlichen, unveröffentlichten Quellen. Die meisten davon liegen in Familienarchiven von Adelsfamilien aus der ganzen Habsburgermonarchie. In meiner Stichprobe gibt es Familien aus Niederösterreich, Böhmen, Mähren, Kärnten und den österreichischen Niederlanden, das waren zum Beispiel Flandern, Brabant und Hennegau. Diese Familien, produzierten eine Vielzahl von Dokumenten. Es handelt sich um Geschäftsbücher, Kassabücher, Geschäftskorrespondenzen, Verwaltungskorrespondenzen, persönliche Korrespondenzen, Urkunden, Verträge, aber auch Familiendokumente wie Eheverträge, Testamente, Stiftungsurkunden oder Inventare. Der Zugang zu diesen Familienarchiven ist je nach Familie oder Land sehr unterschiedlich. 

Woran liegt das?

Einige Familienarchive wurden von den Familien freiwillig an öffentliche Archive übergeben. Je nach den personellen Kapazitäten der Archive sind sie mehr oder weniger gut katalogisiert und können nach Absprache mit den Nachkommen eingesehen werden. Im Jahre 1945 wurden in der Tschechoslowakei zudem zahlreiche Familienarchive beschlagnahmt. Heute sind diese Archive meist frei zugänglich, einige von ihnen wurden jedoch nie richtig erschlossen. Andere befinden sich noch in privater Hand und stehen der Forschung nur bedingt zur Verfügung. Das gilt für sehr wohlhabende Familien oder solche, die ihren Status bis heute nicht verloren haben, wie die Häuser Arenberg, Liechtenstein oder Schwarzenberg. Die wichtigsten Quellen für meine bisherigen Recherchen waren die jährlichen Hauptkassabücher der Familien. Sie zeigen Besitz, Status und Einkommen, aber auch Ausgaben, Schulden und Verbindlichkeiten – und  die wirtschaftlichen Strategien insgesamt.

Welche Herausforderungen gab es sonst noch bei Ihren Recherchen?

Die große Herausforderung bestand darin, dass die Buchhaltung in allen Familien zwar einer ähnlichen Logik folgt, dennoch hat jede Familie ihr eigenes System, das es zu verstehen gilt. Zudem neigten Sekretäre und Kassabeamte dazu, innerfamiliäre Codes oder Abkürzungen für Personen, Waren oder Transaktionen zu verwenden. Das machte es manchmal schwierig, den spezifischen Weg einer Summe oder einer Zahlung zurückzuverfolgen oder tragfähige Langzeitdaten zu erstellen. Eine weitere Schwierigkeit lag in der Unvollständigkeit der Aufzeichnungen.

Gab es gegen die Adeligen Aufstände? Und wenn ja, hingen diese konkret mit den Einnahmequellen zusammen?

Ja, Bauernaufstände gab es im 17. und 18. Jahrhundert immer wieder. Sie richteten sich vor allem gegen die sogenannte Robot bzw. Robotbelastung gegenüber den Grundherren. Darunter versteht man einen unentgeltlichen Arbeitsdienst, den die Bauern ihrem Grundherrn schuldig waren, etwa händische Arbeiten auf Feldern, das Pflügen mit Ochsen oder Fuhrdienste. Die Robotbelastung in der Habsburgermonarchie war regional sehr unterschiedlich: Während die Alpenländer weniger Robottage pro Jahr verzeichneten, lag die Robotbelastung in Böhmen und Mähren bei mehreren Tagen pro Woche. 1680 kam es in ganz Böhmen zu einem Bauernaufstand, der sich gegen diesen Dienst richtete. Daher versuchten die Habsburger bereits Ende des 17. Jahrhunderts die gröbsten Missstände zu regulieren. So kam es zu den Robotpatenten samt Einrichtung einer Kommission für Beschwerden der Untertanen, die eine gesetzliche Beschränkung der Robot auf max. drei Tage in der Woche brachte. Leopold I., Karl VI. und auch Maria Theresia griffen aber bis 1775 nicht per se in das Verhältnis Grundherr-Untertan ein. Vielmehr war das Ziel, eine Reduktion der Robottage zu erreichen und die Möglichkeit zu schaffen, dass die Robot als Geldabgabe geleistet werden konnte. Auch Joseph II. erreichte eine weitere Vereinheitlichung und Abmilderung der Robot mit seinem ‚Leibeigenschaftsaufhebungspatent‘  1781, bevor  die soziale Verfasstheit und rechtliche Stellung der Untertanen, die seit dem Mittelalter bestand, 1848 endgültig mit der Grundentlastung aufgehoben wurde.

Historikerin Veronika Hyden-Hanscho
Veronika Hyden-Hanscho ist an der Universität Klagenfurt tätig. @ Romy Müller

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