Schrödingers Katze Schrödingers Katze

Der österreichische Wissenschaftsblog
43.000+ Fans

13. November 2016

Phobility: Angst als Begleiter auf den täglichen Wegen

Von Schrödingers Katze
Erde
Besonders in überfüllten öffentliche Verkehrsmittel können für Menschen mit Angststörungen unerträgliche Situationen entstehen. Wissenschaftler des Fachbereichs für Verkehrssystemplanung am Department für Raumplanung der TU Wien wollen Betroffenen helfen.

Angst sichert das Überleben des Menschen: Sie löst Mechanismen im Körper aus, die es ermöglichen, auf gefährliche Situationen schnell reagieren zu können. Furcht kann jedoch übertriebene, krankhafte Züge annehmen. Etwa vor bestimmten Situationen oder Objekten – dann spricht man von einer Phobie – oder aber auch ohne konkreten Grund – einer generalisierten Angststörung. Taucht sie plötzlich auf, spricht man von einer Panikstörung.

shutterstock_330506180

Zum Beispiel in der U-Bahn unter vielen Menschen. Obwohl (laut einer Studie des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger) rund zehn Prozent der Bevölkerung an mindestens einer psychischen Erkrankung leiden, werden diese im Bereich der Mobilitätsforschung oder Verkehrsplanung bislang kaum berücksichtigt. Tamara Vlk vom Fachbereich für Verkehrssystemplanung (IVS) am Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung der TU Wien hat sich daher dem Thema gewidmet.

Was ist Phobility?

Im Rahmen einer Studie zu Phobility untersuchte sie gemeinsam mit Projektpartnern wie den Psychosozialen Zentren oder Makam Research die Verkehrsteilnahme von 20 Personen mit diagnostizierten Phobien, Angst- oder Zwangsstörungen im Individualverkehr und im öffentlichen Verkehr. Dabei wurden die physischen, psychischen und sozialen Barrieren zu einer gleichberechtigen Teilnahme erforscht. Zum Beispiel die Angst vor Überfülltheit der Verkehrmittel, Stigmatisierung durch oder Rücksichtslosigkeit der anderen Verkehrsteilnehmer.

shutterstock_341393339

Das Ziel der Phobility-Studie war es, erste Lösungsansätze zu finden und gleichzeitig auch abzuleiten, wo zukünftig Forschungsbedarf besteht. Es zeigte sich zuerst, dass betroffene Personen im Wesentlichen in zwei Gruppen eingeteilt werden können: Diejenigen, die die Fähigkeit verlieren, Situationen als ungefährlich wahrzunehmen. Und diejenigen, die ihre eigenen körperlichen Grenzen ständig als bedroht wahrnehmen und die Fähigkeit verlieren, Ansprüche auf Raum entsprechend einzufordern.

„Bei den identifizierten Mobilitätsbarrieren handelt es sich um beengende oder dunkle Räume, unangenehme Geräuschpegel, andere Fahrgäste oder Verkehrsteilnehmer und fehlende Rückzugsmöglichkeiten in Stationen und Verkehrsmittel“, sagt Vlk, die jenen Teil des Projekts leitet, der von der  TU beigesteuert wird. Auch unvorhergesehene Ereignisse, wie Routenänderungen bei Baustellen oder Fahrplanänderungen, können Angstzustände begünstigen.

Tamara Vlk vom Fachbereich für Verkehrssystemplanung (IVS) am Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung der TU Wien.
Tamara Vlk vom Fachbereich für Verkehrssystemplanung (IVS) der TU Wien beforscht Phobility.

Mögliche Lösungsansätze?

Aufgrund der kleinen Stichprobe können keine allgemein gültigen Aussagen getroffen werden. „Dennoch konnten neben Maßnahmen für den Gesundheitsbereich auch Lösungsansätze abgeleitet werden, die aus verkehrsplanerischer Sicht relevant sind“, sagt die Raumplanerin und Verkehrswissenschaftlerin. Sie sollen helfen, situative Ängste für die Betroffenen kontrollierbar zu machen. Dabei handelt es sich insbesondere um gestalterische Maßnahmen in Stationen.

shutterstock_2919091

Und um Technologien, die von den Betroffenen direkt mitgeführt werden können. „Laut der Betroffenen sowie Experten sollten die Lösungen so gestaltet sein, dass potenzielle Ängste während der Verkehrsteilnahme hinreichend kontrollierbar sind. Etwa durch Selbstablenkungs-, Selbstberuhigungs- oder Selbstmanipulationstools“, sagt Vlk. Dazu zählen neben Informationsmaterial, technologische Gadgets und auch Sensibilisierungsmaßnahmen der Bevölkerung zur Entstigmatisierung der Betroffenen.

Ängste durch aktive Mobilität in den Griff bekommen

Auch verkehrsplanerische Maßnahmen vor dem Hintergrund der Förderung von aktiver Mobilität – zu Fuß gehen, Radfahren – werden empfohlen. Denn wie Mediziner wissen, wirkt sich aktive Fortbewegung positiv auf den Krankheitsverlauf aus. Parallel lässt sich durch speziell ausgerichtete Verhaltenstherapien erlernen, mit den Attacken umzugehen, Angst abzubauen oder krankhafte Ängste wieder umzulernen.

Die Ergebnisse der Phobility-Studie wurden in der Schriftenreihe des IVS als Band 39 publiziert. Die Projektergebnisse wurden außerdem im Rahmen der European Public Health Konferenz, die derzeit in Wien stattfindet, vorgestellt. „Natürlich möchten wir die Studienergebnisse auch in Folgeprojekten verwerten, um auch das Bewusstsein für die Thematik und akute Problemlage zu schärfen“, sagt Vlk. Sie hofft, mithilfe der Phobility-Ergebnisse einen wichtigen Anstoß für weitere Forschungsvorgaben gesetzt zu haben.

Autorin: Magdalena Meergraf

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook Like-Button. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
Weitere Informationen

Teile den Beitrag auf

Facebook
Twitter
Monatliche Updates in deiner Inbox!

Diese Artikel solltest du ebenfalls lesen

  • Ein Mensch blickt in den Sternenhimmel.

    Савет за читање: Порекло живота

    Januar 30, 2025
  • Ein Thermometer zeigt eine hohe Temperatur an, im Hintergrund scheint die Sonne.

    Globales Hitzewarnsystem – dank österreichischer Forscher*innen

    September 27, 2024
  • Ein Mensch blickt in den Sternenhimmel.

    Der Ursprung des Lebens

    April 13, 2023
« Was bedeutet Trump?
Zurück zur Natur: Naturally Hypernatural »

Forschung, die unser Leben verbessert

  • Innovation

    Innovation

  • Kunst & Kultur

    Kunst & Kultur

  • Mobilität, Technik & Zeit

    Mobilität, Technik & Zeit

  • Allgemein

    Allgemein

  • Erde

    Erde

  • Liebe/Geschlechter

    Liebe/Geschlechter

  • Matrix

    Matrix

  • Forscher*innen

    Forscher*innen

  • Dinge

    Dinge

  • Kommunikation/Sprache

    Kommunikation/Sprache

  • Natur & Umwelt

    Natur & Umwelt

  • Gesellschaft

    Gesellschaft

  • Medizin

    Medizin

  • Naturwissenschaft

    Naturwissenschaft

  • Faktencheck

    Faktencheck

  • Ernährung

    Ernährung

  • Ungleichheit

    Ungleichheit

  • Urbanismus

    Urbanismus

  • Astronomie & Sci-Fi

    Astronomie & Sci-Fi

  • Philosophie & Geschichte

    Philosophie & Geschichte

  • Psyche

    Psyche


Lesetipps in vielen Sprachen
Gesellschaft

Aktiv werden

Katzenpost

PapierfliegerDu hast Vorschläge zu Themen, die wir behandeln sollen? Dann schick sie uns!

Mit der Verwendung des Kontaktformulars nimmst du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

    Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google reCAPTCHA. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

    Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
    Weitere Informationen

    Schrödingers Katze
    • › Impressum
    • › Datenschutz
    • › Über uns
    • › Kontakt