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Abbild eines Gehirns mitsamt der Technologie für die Nervenstimulation.
11. Februar 2025

Elektrische Pille: Nerven stimulieren, Beschwerden lindern

Von Schrödingers Katze
Medizin
Die Stimulation des Nervensystems kann bei Krankheiten helfen. Dabei ist es wichtig, im Rhythmus des Körpers zu arbeiten.

Chronische Schmerzen, Depressionen, Herzrhythmusstörungen, Diabetes oder Arthritis: Bei all diesen Krankheiten könnte eine Stimulation des Nervensystems helfen, Beschwerden zu lindern. Das geschieht etwa mit der Hilfe von Elektroden, die am Ohr befestigt werden. Diese Methode nennt man auch elektrische Pille – und sie kann eine Alternative zu Medikamenten sein. „Nervenstimulation nutzt die Elektrizität, die Sprache der Nerven, um regulierend in unser Nervensystem einzugreifen“, erklärt Eugenijus Kaniusas, Professor am Institut für Biomedizinische Elektronik an der TU Wien.

Transport elektrischer Impulse

Durch Nervenstimulation kann das Gleichgewicht zwischen dem aktivierenden Nervensystem (Sympathikus) und dem beruhigenden Nervensystem (Parasympathikus) wiederhergestellt werden. Bei vielen chronischen Krankheiten ist dieses Gleichgewicht verloren gegangen, die Folge sind unausgeglichene Funktionen der Organe und daher dauerhafte Schäden. Die Nervenstimulation ist in der Lage, eingeschlafene Reflexe anzuregen und zu beeinflussen – das ist wichtig für das körperliche Wohlbefinden.

„Unsere Nerven sind wie Autobahnen für den Transport elektrischer Impulse, die unser Gehirn und verschiedene Organe miteinander verbinden. Wenn sich die Impulse zum Gehirn auf den Autobahnen verlieren oder zusammenbrechen, verliert auch das Gehirn seine Informationen und damit seine Fähigkeit, die lebenswichtigen Körperfunktionen im Gleichgewicht zu behalten. Warum sollte man diese natürlichen Autobahnen also nicht nutzen, um künstliche elektrische Impulse an das Gehirn zu senden?“, führt Eugenijus Kaniusas aus.

Versuchsaufbau
Fünf Proband*innen wurden im Rahmen der Studie zur Nervenstimulation eingebunden. © TU Wien

Rhythmus des Körpers

Nervenstimulation wird bereits eingesetzt, jedoch wurde dabei wenig bis gar nicht auf den Rhythmus des Körpers bzw. den aktuellen Krankheitsverlauf Rücksicht genommen. In einer aktuellen Studie der TU Wien und der Wiener Privatklinik konnte Eugenijus Kaniusas und seine wissenschaftlichen Partner aber nachweisen: Gerade die Rhythmen des eigenen Körpers (wie etwa Herzschlag und Atmung ) sind von großer Bedeutung, damit die Nervenstimulation überhaupt funktioniert.

Der Forscher ging davon aus, dass es unmöglich sein müsste, dass das Gehirn dauerhaft empfänglich für künstliche, elektronische Impulse ist. Schließlich sind fast alle Funktionen unseren Körpers einer bestimmten Regelmäßigkeit unterworfen (z. B. Atmung, Puls, Schlafrhythmus, …). „Unsere Forschung hat gezeigt, dass das Gehirn eher dann ‚zuhört‘, wenn es auch etwas Natürliches erwartet, die elektrischen Impulse entlang der natürlichen Autobahnen, die dem Gehirn den Status quo der Organe melden. So hebt und senkt das Gehirn seine Schranken offenbar im Sekundentakt mit jedem Herzschlag.“

Vagusnerv

Eine besondere Rolle bei der Nervenstimulation spielt der Vagusnerv, der 10. Hirnnerv und der Hauptnerv des Parasympathikus. Dieser wurde in den letzten Jahren zunehmend beachtet, schließlich ist er für die Steuerung beinahe aller inneren Organe zuständig; unter anderem regelt der Vagusnerv Körperfunktionen wie Herzfrequenz, Verdauung, Atmung, Blutdruck, Blutzucker oder Speichelfluss. Ein Strang des Vagusnervs führt vom Gehirn direkt ins Ohr, somit kann man mit kleinen Elektroden im Ohr den Vagusnerv aktivieren, das Gehirn stimulieren und Einfluss auf unterschiedliche Funktionen des Körpers nehmen. In der Studie wurden fünf Personen untersucht. Ihr Vagusnerv wurde elektrisch aktiviert, um die Herzfrequenz zu senken. Aus vergangenen Studien weiß man bereits, dass die Herzfrequenz ein möglicher Indikator dafür ist, ob die Stimulationstherapie bei chronischen Erkrankungen nützt oder nicht. Das Ergebnis: Stimuliert man den Vagusnerv im Einklang mit dem Herzschlag und dem Atem, wirkt die Nervenstimulation stärker auf die Herzfrequenz und so hoffentlich effizienter in der Therapie.

Versuchsaufbau
Die Stimulation des Vagusnervs sollte bestenfalls in einem medizinischen Setting stattfinden. © TU Wien

Lifestyle-Produkte

Die Vermeidung von Stress und die Steigerung des Wohlbefindens sind gefragte Themen. Daher wundert es nicht, dass einige Lifestyle-Produkte zur Nervenstimulation im Handel erhältlich sind. Eugenijus Kaniusas betont, dass diese oft mehr versprechen als sie halten. Er nennt ein weiteres Problem dieser Produkte: „Das Problem dabei ist, dass jede*r von uns einzigartig ist, und so bedarf es einer ständigen Anpassung der Nervenstimulation, um dauerhaft wirksam zu sein. Diese Anpassung bzw. Personalisierung an den/die Nutzer*in und Erkrankung ist daher bedeutend.“ Deshalb ist es ratsamer auf medizinische Produkte, die unter Aufsicht und mit ärztlichem Fachwissen eingesetzt werden, zu setzen. 

Forscher Eugenijus Kaniusas
Eugenijus Kaniusas lehrt und forscht an der TU Wien. © privat

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