„Herzrhythmusstörungen sind relativ häufig, besonders im Alter. Vorhofflimmern, die häufigste Form, betrifft etwa 1 bis 2 % der Allgemeinbevölkerung und bis zu 10 % der über 80-Jährigen. Andere Formen können in jedem Alter auftreten, treten aber oft in Verbindung mit Vorerkrankungen wie Herzkrankheiten, Bluthochdruck oder Stoffwechselstörungen auf“, erklären Gernot Plank vom Lehrstuhl für Medizinische Physik und Biophysik und die Mathematikerin Elena Zappon. Bei Herzryhthmusstörungen schlägt das Herz zu schnell (Tachykardie), zu langsam (Bradykardie) oder unregelmäßig. Sie erklären weiter: „Typische Symptome sind Herzrasen, Schwindel, Atemnot, Müdigkeit, Brustbeschwerden oder Ohnmacht. In einigen Fällen bleiben Herzrhythmusstörungen unbemerkt und werden erst bei einer medizinischen Untersuchung entdeckt.“
Symptome
Gefährlich werden Herzrhythmusstörungen dann, wenn sie die Fähigkeit des Herzens beeinträchtigen, Blut effektiv zu pumpen, denn dadurch erhöht sich das Risiko für Schlaganfälle, Herzschwäche oder sogar für einen plötzlichen Herztod. „Medizinische Hilfe sollte gesucht werden, wenn Symptome wie Ohnmacht, starke Brustschmerzen oder Atemnot auftreten oder wenn die Rhythmusstörungen anhalten und die Lebensqualität beeinträchtigen. Auch leichte, wiederkehrende Symptome sollten von einem Arzt/einer Ärztin abgeklärt werden“, betonen die beiden Forscher*innen, die aktuell an der Medizinischen Universität dazu arbeiten, wie man Herzrhythmusstörungen besser behandeln kann – und zwar mit Hilfe digitaler Modelle.
Digitaler Zwilling
Konkret arbeiten sie dabei mit einem sogenannten digitalen Zwilling des Herzens: Das ist ein computergestütztes Modell, das Anatomie und Funktion eines Herzens nachbildet. Das Modell wird mit patientenspezifischen Daten erstellt, die im Krankenhaus erhoben werden – etwa durch CT- und MRT-Scans und EKG-Aufzeichnungen. Diese Daten helfen den Forschenden sowie dem medizinischen Personal, die Erkrankung im Detail zu untersuchen und Behandlungsoptionen virtuell zu testen. „So kann nachvollzogen werden, wie sich die Krankheit entwickeln könnte und wie Therapien wirken würden. Auf diese Weise lassen sich die Maßnahmen auswählen, die das beste Ergebnis bei minimalem Risiko versprechen.“ Ihre Forschung basiert dabei auf den Projekten TwinCare-AF (gefördert durch das EU Marie Curie Programm) und DAWN-AF (gefördert durch ERA PerMed).
Optimale Behandlungen finden
Digitale Zwillinge ermöglichen es, den Verlauf der Erkrankung und die Reaktion auf verschiedene Behandlungen vorherzusagen: „Bei Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern kann das die Wirkung von Medikamenten oder die Planung invasiver Eingriffe wie Katheterablation oder Implantation von Geräten umfassen. In der virtuellen Umgebung lassen sich patientenspezifische Tests durchführen—Szenarien, die sonst zu riskant oder unmöglich wären. So können die Erkenntnisse die Wahl der optimalen Behandlungsstrategie unterstützen“, so Plank und Zappon.
Daten, Daten, Daten
Die Bilddaten und die EKG-Daten werden in einem mehrstufigen Arbeitsauflauf kombiniert. Die Forschenden arbeiten dabei mit zwei primären Datentypen: Klinischen Bildern (CT-/MRT-Scans) und elektrophysiologischen Daten (EKG oder elektrophysiologische Karten). Gernot Blank und Elena Zappon: „Die Bilder ermöglichen die Rekonstruktion der Herzform und -anatomie, die elektrophysiologischen Daten zeigen, wie sich elektrische Signale durch das Herz ausbreiten. Wir nutzen mathematische Modelle – Gleichungssysteme, die das elektrische Verhalten des Herzens beschreiben. Mit numerischen Methoden lösen wir diese Gleichungen am Computer. Um das Modell realistisch zu machen, werden die Parameter so angepasst, dass die simulierten Signale mit den EKG- und Bilddaten übereinstimmen. So entsteht ein digitaler Zwilling, der anatomisch und elektrisch das Herz des Patienten nachbildet.“
Auch für andere Organe
Das Konzept der Digitalen Zwillinge wird ebenso bei anderen Organen und Erkrankungen angewendet. „Das Konzept der digitalen Zwillinge wird zunehmend auch auf andere Organe und Erkrankungen angewendet. Forschungsgruppen weltweit entwickeln digitale Zwillinge für Gehirn, Lunge, Leber und sogar für die Blase. Die Technologie ermöglicht personalisierte Simulationen, unterstützt klinische Entscheidungen, verbessert Behandlungsergebnisse und reduziert Risiken für Patient*innen“, so Elena Zappon und Gernot Plank.




