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14. August 2015

Die fantastischen Vie(ch)er

Von Schrödingers Katze
Dinge
Wer sich mit Namen wie Mr. Fantastic, Die Unsichtbare, Menschliche Fackel und Das Ding schmückt, kann vieles sein, außer gewöhnlich. Die Fantastic Four sind seit Anfang der 60er ein Fixstern im Marvel-Universum und wiedereinmal Protagonisten im neuesten Streifen „The Fantastic Four“. Für uns ein guter Anlass, den Superhelden auf naturwissenschaftlicher Ebene etwas näher zu kommen. Dazu sprachen wir mit Univ. Prof. Dr. Bernd Pelster und Univ. Ass. Dr. Bernhard Egger vom Institut für Zoologie der Universität Innsbruck.

Superkräfte in der Realität? Befragt man das Internet, so werden einem Beispiele dafür förmlich aufgedrängt. Angefangen von Wolverine, der sein reales Ebenbild in Fröschen hat, die sich Klauen wachsen lassen, über mimische Oktopusse hin, bis zu Salamandern, die ganze Gliedmaßen regenerieren können. Man muss sich nicht sonderlich bemühen, um darin die eine oder andere Vorlage für einen Marvel–Superhelden zu sehen. Wieso auch nicht, wo doch auch die Wissenschaft tagtäglich mehr von und über die bemerkenswerten Kreaturen dieser Welt lernt.

Fantastic Four

So fantastisch die Geschichte von Dr. Reed (alias Mr. Fantastic) und seiner Crew auch ist, so sehr hat sie sich in 70 Jahren gewandelt. Im Wesentlichen ist aber die 2015er Version schnell erzählt: Bei einer interstellaren Forschungsreise werden die vier Superhelden in spe kosmischer Strahlung ausgesetzt, die individuelle genetische Veränderungen bewirkt, um deren Überleben zu sichern:

  • Mr. Fantastic: elastisch wie Gummi
  • Die Unsichtbare: Unsichtbarkeit
  • Menschliche Fackel: Selbstentzündung und Fliegen
  • Das Ding: übermenschliche Kraft und Ausdauer, Resistenz durch Versteinerung

Mit der Hilfe von Institusvorstand Univ. Prof. Dr.. Bernd Pelster und Univ. Ass. Dr. Bernhard Egger vom Institut für Zoologie der Universität Innsbruck haben wir einen genaueren, kritischen Blick auf die vier Superhelden geworfen und versucht festzustellen, wie weit hergeholt ihre Superkräfte eigentlich sind:

Mr. Fantastic

Bei der Frage nach gummihafter Elastizität wie sie Mr. Fantastic zu eigen ist, hilft uns Dr. Bernhard Egger, dem bei seinen bio-evolutionären Forschungen unter anderem auch Plattwürmer unter die Linse kommen. Die Gattung der Plattwürmer umfasst bis zu 30.000 Arten. Dr. Egger weist uns auf den sogenannten Macrostomum lignano hin, welcher sich durch seine Ringmuskulatur und das fehlende Skelett beinahe beliebig ausdehnen und sich zu einem Ball zusammenziehen kann. Ist der Wurm an sich recht simpel, habe er für die Forschung eine bedeutende Rolle, wegen seiner regenerativen Fähigkeiten, so Egger. Denn ungleich den meisten Lebewesen sind seine Stammzellen in der Lage sich zu jeder beliebigen Körperzelle zu formen. Ginge man davon aus, dass durch die genetische Veränderung Mr. Fantastics Haut anstatt von einem Skelett von Ringmuskulatur gestützt würde, wären solche Fähigkeiten zwar theoretisch möglich, allerdings würde sich dies nicht mit dem Körperaufbau des Menschen, der wesentlich komplexer als der eines Plattwurmes ist, vereinen lassen.

FotorCreated
Mr. Fantastic und der Plattwurm. © Plattwürmer Schaukasten: Dr. Bernhard Egger/Zoologie Innsbruck, Mr. Fantastic: „Reedr“ by Source. Licensed under Fair use via Wikipedia – https://en.wikipedia.org/wiki/File:Reedr.jpg#/media/File:Reedr.jpg

 

The Human Torch

Die Superkräfte von Johnny Storm alias „die menschliche Fackel“ finden sich so nicht wirklich in der Natur wieder. Jede Verbrennung ist eine heftige chemische Reaktion, für deren spontane Entzündung ein Katalysator benötigt wird. Im Falle der Fackel geht man von einem Gasgemisch aus, welches sich mit der umgebenden Luft verbindet, heftig reagiert und sich entzündet. Es sind uns zwar keine Tiere mit solchen selbstentzündenden Fähigkeiten bekannt, ganz an den Haaren herbeigezogen klingt die Theorie jedoch nicht. Beim Bombardierkäfer treffen im hinteren Teil des millimeter-kleinen Insekts Hydrochinon und Wasserstoffperoxyd aufeinander, reagieren und erlauben es dem Käfer ein 100° heißes Gasgemisch präzise zu verschießen. Sich selbst schützt der Käfer durch eine dicke Außenwand seiner „Explosionskammer“ vor Austrocknung und Verbrennung. Unter wissenschaftlichem Auge lässt die Fackel trotzdem viele Fragen offen, aber insgeheim beneiden wir doch Johnny Storm am meisten um seine Superkräfte.

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Der Bombardierkäfer und The Torch. © Human Torch: Artwork for the cover of Fantastic Four vol. 4, 542 (Jan 2007 Marvel Comics). Art by Adi Granov. Bombardierkäfer: „Brachinus spPCCA20060328-2821B“ von Patrick Coin (Patrick Coin) – Photograph taken by Patrick Coin. Lizenziert unter CC BY-SA 2.5 über Wikimedia Commons

The Thing

Schlimmer hat es Ben Grimm, der durch die Strahlung versteinert wurde, erwischt. Dies verleiht ihm einerseits übermenschliche Kraft, Ausdauer und Resistenz, verwandelt ihn andererseits in eine steinerne Monstrosität. Professor Bernd Pelster vom Institut für Zoologie in Innsbruck denkt bei spontaner Verhärtung an mutables Bindegewebe, wie es bei Seeigeln, Seesternen, Seegurken und Seelilien zu finden ist. Dieses Bindegewebe erlaubt es den Tieren, durch das Ausschütten von Proteinen, sogenannten „stiffenern“ oder „plasticisern“, von fast flüssigem Zustand ohne Energieaufwand gänzlich zu verhärten. Anders als bei Muskeln handelt es sich bei der Veränderung des Zustands jedoch nicht um eine Kontraktion, sondern um eine Veränderung der passiven mechanischen Eigenschaften der Tiere, welche diese um ein Vielfaches belastbarer macht, als selbst die stärkste Muskelanspannung es könnte. Das mutable Bindegewebe hilft den Tieren so ihre schwach ausgeprägte Muskulatur auszugleichen und dient unter anderem der Fortbewegung. Anders als Seegurken und ihre Artverwandten scheint die Veränderung bei The Thing jedoch permanent. Aber ganz so weit hergeholt ist die Mutation immerhin nicht.

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The Thing und die Seegurke © https://en.wikipedia.org/wiki/File:Thing_v2_1_coverart.jpg#/media/File:Thing_v2_1_coverart.jpg, „Three-Rowed Sea Cucumber“ von laszlo-photo – Flickr. Lizenziert unter CC BY 2.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Three-Rowed_Sea_Cucumber.jpg#/media/File:Three-Rowed_Sea_Cucumber.jpg 

Invisible Woman

Ihre namensgebende Superkraft verdankt die unsichtbare Susan Storm der Fähigkeit ihre Umwelt zu manipulieren, um sich so zu tarnen oder Kraftfelder zu erzeugen. Sind Phänomene der perfekten Tarnung und Mimik in der Natur hinlänglich bekannt, bedarf es bei wahrer Unsichtbarkeit mehr als nur ein paar Taschenspielertricks, wie sie beispielsweise der Karnevalstintenfisch beherrscht. Unsichtbarkeit kann durch Lichtmanipulation entstehen, in dem Lichtwellen gebrochen und entsprechend manipuliert und reflektiert werden. Mit dem Quantum Stealth Suit, welcher bereits vom amerikanischen Militär getestet wird, sind wir echter Unsichtbarkeit näher als jemals zuvor. Sogenannte Meta-Materialien brechen und manipulieren das Licht auf der Oberfläche der Kleidung und lassen diese dadurch durchsichtig wirken.

fanfour_unsichtbar
Der Quantum Stealth Suit und Invisible Woman © Quantum Stealth Suit: Hyperstealth Biotechnology – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Brachinus_spPCCA20060328-2821B.jpg#/media/File:Brachinus_spPCCA20060328-2821B.jpg, „Cover for Marvel Knights „4“, no. 5″ by Marvel Knights 4 #5. Licensed under Fair use via Wikipedia – https://en.wikipedia.org/wiki/File:Cover_for_Marvel_Knights_%224%22,_no._5.jpg#/media/File:Cover_for_Marvel_Knights_%224%22,_no._5.jpg

Fakten bleiben Fakten, Fiktion bleibt Fiktion

In der Evolution der Fantastischen Vier lassen sich auch die Spuren des aufkommenden Informationszeitalters herauslesen. Genügte es früher, sich an in der Natur vorkommenden Phänomenen zu orientieren und vage Erklärungen für die Superkräfte zu liefern, gibt sich der Zuseher zu einer Zeit in der Fachwissen nur einen Klick weit weg ist, nicht mehr so einfach zufrieden. Auch Marvel ist sich dessen bewusst und arbeitet fortlaufend daran, die Superkräfte realitätsnaher zu gestalten, um den Ansprüchen zu genügen.

 

Text: Stefan Schallert

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