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Hainschwebfliege in Großaufnahme. Die Hainschwebfliege zählt zu den natürlichen Schädlingsbekämpfern. Ihre Larven fressen Blattläuse und andere Pflanzenschädlinge.
28. November 2025

Busse als Insektensammler

Von Schrödingers Katze
Natur & Umwelt
An der Universität Innsbruck sammelt man Insekten von den Scheiben von Bussen. Dabei wurden 3.455 Insektenarten erfasst.

Fallen, Netze, Begehungen – so wurde bisher das Vorkommen von Insekten untersucht. Diese Methoden erlaubten nur die Untersuchung in kleinen Gebieten. Sie waren zudem kosten-und zeitintensiv. An der Universität Innsbruck ging man nun einen neuen Weg. „1997 hatte ich als Student die Idee, Insekten von Busscheiben zu bestimmen, als ich beobachtete, wie viele Insekten hier an die Windschutzscheibe klatschten“, erzählt Michael Traugott. 28 Jahre später setzte er genau diese Idee um – mit Erfolg. Das an der Universität Innsbruck angesiedelte Projekt zum Insektenmonitoring wurde gemeinsam mit der Postbus AG der ÖBB durchgeführt – dabei wurden 3.455 Insektenarten erfasst.

Bus-Monitoring

Ein Monitoring dieser Art gibt Auskunft über Vorkommen und Lebensraum von verschiedenen Insekten und bildet die Grundlage für deren Schutz; dies ist besonders im Anbetracht des Klimawandels wichtig. Zudem lassen sich auch Aussagen über invasive Schädlinge und Krankheitsüberträger treffen. „Neue Arten, die zum Beispiel durch Klimawandel und menschliche Verschleppung in unser Land kommen, lassen sich durch den Ansatz gut überwachen, um festzustellen, wo sie schon überall vorkommen“, erklärt der Experte.

Michael Traugott und sein Team wählten vier Buslinien in Tirol, Kärnten sowie Ober- und Niederösterreich aus. Deren Routen führen durch unterschiedliche Gebiete – perfekt also, um Insekten mit unterschiedlichen Lebensräumen zu erfassen. Drei Mal im Monat reinigten die Forschenden die Busscheiben mit Mikrofasertüchern, anschließend wurde die DNA der Tiere im Labor untersucht. Genau das war nämlich laut Michael Traugott zu seiner Studienzeit noch nicht möglich: „Damals gab es noch nicht die DNA-Methoden, die uns jetzt erlauben, aus all den Insektenresten die DNA zu isolieren und die Insektenarten über die DNA-Sequenzen zu identifizieren.  Diese DNA-Methoden gibt es seit ca. fünf oder sechs Jahren, womit die technologischen Möglichkeiten für das Insekten-Bus-Monitoring jetzt gegeben sind.“

Mit Mikrofasertüchern werden die Insektenreste von den Frontbereichen der Busse entfernt und später im Labor analysiert. Im Bild die Zoologin und Projektkoordinatorin Marjana Ljubisavljevic.
Mit Mikrofasertüchern werden die Insektenreste von den Frontbereichen der Busse entfernt und später im Labor analysiert. Im Bild die Zoologin und Projektkoordinatorin Marjana Ljubisavljevic. © Universität Innsbruck, Flatz

3.455 Insektenarten

In Österreich leben ungefähr 40.000 Insektenarten, 80 Prozent davon sind – zumindest zeitweise – flugfähig, wobei Michael Traugott und sein Team sogar flugunfähige Insekten auf den Busscheiben fanden. In den vier Bundesländern konnte das Forschungsteam 3.455 unterschiedliche Insekten-, sowie einige Spinnen- und andere Gliederfüßer nachweisen. Unter den Insekten war die Ordnung der Diptera – also Zweiflügler – mit rund 1.900 verschiedenen Arten am häufigsten vertreten. Zu dieser Ordnung zählen beispielsweise Schwebfliegen, Stubenfliegen und Stechmücken. Die zweitgrößte Gruppe bildete die Ordnung der Käfer (400 Arten), gefolgt von den Schmetterlingen (260 Arten), Wanzen und Zikaden (210 Arten) sowie den Hautflüglern (190 Arten), denen Bienen, Hummeln und Wespen angehören.  

Grafik zur Insektenvielfalt: Knapp 3.500 Insektenarten wies das Forschungsteam im Rahmen des Monitoringprojektes nach.
Grafik zur Insektenvielfalt: Knapp 3.500 Insektenarten wies das Forschungsteam im Rahmen des Monitoringprojektes nach. © Universität Innsbruck

Regionale Unterschiede

Beinahe 500 Arten wurden dabei in allen Bundesländern aufgefunden, zwischen 250 und 500 Arten wurden nur in je einem Bundesland nachgewiesen. Das zeigt, dass sich das Bus-Monitoring gut eignet, um möglichst viele verschiedene Arten zu finden. „Wir wiesen eine hohe Übereinstimmung zwischen den Lebensräumen und Insektenarten nach: Fuhr eine Buslinie vorwiegend durch Wälder, so war hauptsächlich DNA von Waldinsekten zu finden. Führte die Route durch offenes Agrarland, waren Insekten des Offenlandes – wie Äcker und Grünflächen – stark vertreten“, erklärt der Projektleiter. Auch im zeitlichen Verlauf zeigten sich Unterschiede: Während in Nieder- und Oberösterreich im Frühjahr und Sommer die größte Artenvielfalt zu finden war, verschob sich dies in Tirol und Kärnten auf Juli und August. 

Seltene Spezies

Die Forscher*innen konnten auch einige seltenen Insektenarten auffinden, wie zum Beispiel die Kleine Höckerschrecke, die in Österreich erstmals in den 1960er Jahren nachgewiesen wurde. In der Zwischenzeit war man sogar davon ausgegangen, dass sie bereits ausgestorben sei – nun wurde ihre DNA in Tirol entdeckt. Auch invasive bzw. schädliche Arten wurden entdeckt, wie die Marmorierte Baumwanze, die 2016 aus Ostasien eingeschleppt wurde. Sie kann große Schäden im Obst-, Gemüse- und Weinanbau anrichten. Die ebenso schädliche Kirchessigfliege wurde auch gefunden, genau wie verschiedene nützliche Insekten wie die Hainschwebfliege oder der Siebenpunkt-Marienkäfer. 

Erfolgreiches Fazit

„Unser Projekt hat gezeigt, dass mittels Insekten-Bus-Monitoring die Insektenvielfalt über größere Gebiete effizient erfasst werden kann. Damit können Daten zu Insektenvorkommen, die mit herkömmlichen Methoden gewonnen wurden, sinnvoll ergänzt werden. Wesentlich dabei ist allerdings, dass das Insekten-Bus-Monitoring regelmäßig, also jedes Jahr in verschiedensten Gebieten durchgeführt wird, weil nur so die Veränderungen in den Insektengemeinschaften langfristig gemessen werden können“, betont Michael Traugott. Wie gut Maßnahmen zur Förderung der Insekten greifen und wie sich das Insektenvorkommen ändert, etwa durch den Klimawandel, würde sich bei regelmäßigem Insekten-Bus-Monitoring gut feststellen lassen.

V.l.: Rudi Spiegel (Buslenker Postbus AG), Diedo Gross (Nachhaltigkeitsbeauftragter der Postbus AG) Marjana Ljubisavljevic (Uni Innsbruck, IBM-Projektkoordinatorin) und Michael Traugott (Uni Innsbruck, IBM-Projektleiter) bei der Ergebnispräsentation.
V.l.: Rudi Spiegel (Buslenker Postbus AG), Diedo Gross (Nachhaltigkeitsbeauftragter der Postbus AG) Marjana Ljubisavljevic (Uni Innsbruck, IBM-Projektkoordinatorin) und Michael Traugott (Uni Innsbruck, IBM-Projektleiter) bei der Ergebnispräsentation. © Universität Innsbruck, Flatz

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