Rauchverbot, Maskenpflicht, Zuckersteuer: Neue Regeln für das gesellschaftliche Zusammenleben werden laufend diskutiert und mitunter umgesetzt – und das zur anfänglichen Missgunst vieler. Man mag sich noch an die Diskussionen über die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße, der größten Einkaufsstraße Österreichs, erinnern. Als bekannt wurde, dass Autos nur noch auf Abschnitten dieser fahren dürfen, waren Kritik und Ablehnung groß. Nun, zehn Jahre später, ist das kein Thema mehr. Robert Böhm ist Professor für Sozialpsychologie an der Universität Wien. Er forscht dazu, wie Menschen angeregt werden können, sich sozialer zu verhalten.
Psychologische Reaktanz
Neue Regeln und Bestimmungen haben meist das Wohlergehen aller im Fokus, dennoch sehen wir zuerst den Verlust von Freiheit, erklärt er: „In der Psychologie nennt man es psychologische Reaktanz, wenn Menschen wütend oder ablehnend reagieren, weil sie sich durch neue Regeln in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlen. Solche Reaktionen können dazu führen, dass Menschen sich gegen diese Regeln wehren, zum Beispiel durch Proteste oder Demonstrationen. Reaktanz ist ein ganz natürlicher und oft sehr starker Prozess. Er tritt sogar dann auf, wenn die neuen Regeln eigentlich sinnvoll und nützlich sind, etwa weil sie helfen, den Klimawandel zu bremsen oder Infektionskrankheiten einzudämmen.“
Anfängliche Ablehnung
Gemeinsam mit Armin Granulo von der TU München und Christoph Fuchs von der Universität Wien hat Robert Böhm nun untersucht, wie sich diese psychologische Reaktanz im Laufe der Zeit verändert – und was getan werden kann, um die Akzeptanz neuer Maßnahmen noch vor deren Umsetzung zu fördern. Ihre Ergebnisse sind im Journal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen. „Wir haben auf verschiedene Arten untersucht, ob Menschen neue Regeln weniger ablehnen, wenn diese erst einmal eingeführt wurden. Dazu haben wir zum einen Umfragen ausgewertet, die aus Zeiten stammen, in denen in verschiedenen Ländern Regeln wie Rauchverbote am Arbeitsplatz, die Gurtpflicht oder Tempolimits eingeführt wurden. Außerdem haben wir eigene Experimente gemacht: Dabei haben wir den Teilnehmenden erfundene neue Regeln vorgestellt, zum Beispiel CO₂-Steuern oder Tempolimits.“ Dabei zeigte sich ein deutliches Ergebnis: „Die Ablehnung war größer, als die Regeln nur angekündigt waren – nachdem sie eingeführt wurden, war sie deutlich geringer.“
Spätere Akzeptanz
Wird eine neue Regel angekündigt, sehen Menschen vor allem, was sie persönlich verlieren könnten, sie befürchten eine Einschränkung von Freiheit sowie den Verlust von Gewohnheiten bzw. Komfort. Ist die Regel einmal umgesetzt, verschiebt sich der Blick: „Dann rücken die möglichen Vorteile für die Gesellschaft stärker in den Vordergrund. Dieser Wechsel in der Wahrnehmung hilft zu erklären, warum die anfängliche Ablehnung oft schnell nachlässt.“ Die Forschenden konnten sehen, dass es nicht alleine am Inhalt einer neuen Regel liegt, wenn diese zuerst abgelehnt wird, sondern dass hier natürliche psychologische Reaktionen eine wichtige Rolle spielen. Zudem konnten die Forschenden zeigen, dass sich die Ablehnung durchaus verringern lässt – und zwar indem die gesellschaftlichen Vorteile der neuen Regel schon vor ihrer Einführung klar und transparent kommuniziert werden.




