Die Welt ist für Menschen gemacht, die hören können – das zeigt sich auch im Studium, sagt die Servicestelle GESTU („gehörlos und schwerhörig erfolgreich studieren“). Das Wiener GESTU-Team – Georg Edelmayer, Marielene Hamp, Ines Batrina, Aniko De Pasqualin – sorgt dafür, dass gehörlose und schwerhörige Studierende Unterstützung für ihr Studium erhalten – und das nicht nur an der TU Wien: „GESTU wird als Kompetenz- und Servicestelle in den Leistungsvereinbarungen der Technischen Universität Wien geführt und ist für alle Hochschulen in Wien zuständig. Seit 2022 gibt es einen zweiten Standort an der Technischen Universität Graz, der alle Hochschulen in Graz und Klagenfurt betreut. Eine Erweiterung in den Westen Österreichs ist bereits in Planung“, erklärt die Servicestelle GESTU.
Zahlreiche Hürden
Es gibt zahlreiche Hürden für gehörlose und schwerhörige Studierende: So gibt es etwa in vielen Hörsälen keine gute Akustik. Problematisch ist es dann, wenn Lehrende mit dem Rücken zum Publikum sprechen, da man so ihre Mundbewegungen nicht sehen kann und gehörlose und schwerhörige Menschen den Studieninhalten somit – ohne zusätzliche Unterstützung – schwer folgen können. Zudem ist es ein großer organisatorischer Aufwand, Unterstützung für das Studium zu beantragen, denn es gibt keine zentralen Anlaufstellen und Zuständigkeiten. „All das kann sehr belastend sein und sich nicht nur auf den Studienerfolg, sondern auch auf die Gesundheit auswirken.“ Die noch größere Hürde ist jedoch nicht an der Hochschule selbst, sondern in der Gesellschaft zu finden: Es fehlt noch immer an Bewusstsein für Behinderungen, Sprachminderheiten und Diversität im Allgemeinen, heißt es von der Servicestelle GESTU. „Noch immer sind Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit mit vielen Vorurteilen behaftet und an Barrierefreiheit wird oft erst nach Anfrage oder überhaupt nicht gedacht. Deshalb ist es wichtig, Entscheidungen im Austausch mit betroffenen Personen zu treffen und diese aktiv in die Prozesse miteinzubeziehen.“
In Wien werden derzeit rund 20 Studierende betreut, in Graz sowie Klagenfurt insgesamt zehn. „Wir gehen aber davon aus, dass es viel mehr Betroffene gibt, denn nicht jede*r braucht Unterstützung oder will sie in Anspruch nehmen“, betont die Servicestelle GESTU. Zahlen zu den anderen Bundesländern Österreichs gibt es keine, denn dort existieren solche Einrichtungen wie GESTU nicht.
Support durch GESTU
Die Servicestelle GESTU bietet unterschiedliche Formen der Unterstützung an: Sie berät und unterstützt in allen Fragen rund um das Studium, wie etwa Anmeldung, Studienverlauf oder bei Problemen im Studium. Für Lehrveranstaltungen buchen die Mitarbeiter*innen bei Bedarf Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher*innen. Diese stehen bei Kursen, Sprechstunden, Prüfungen oder Exkursionen zur Verfügung. Zudem organisiert GESTU Tutor*innen, die zum Beispiel Mitschriften in Lehrveranstaltungen erstellen, schriftliche Arbeiten korrigieren oder beim Lernen helfen. Es gibt auch die Möglichkeit, technische Hilfsmittel auszuborgen: Dazu zählen Raummikrofone, die sich als Verstärkung mit manchen Hörgeräten verbinden lassen oder für hybride Lehrveranstaltungen genutzt werden können. Die Servicestelle GESTU und alle damit verbundenen Angebote werden vom Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung finanziert. Für Studierende entstehen daher keine Kosten.
An den Unis
Die Lage für gehörlose und schwerhörige Studierende an den Universitäten betrachtet die Servicestelle GESTU ambivalent: Einerseits wird es selbstverständlicher, dass gehörlose und schwerhörige Menschen studieren, da sie heute leichter Unterstützung erhalten als noch vor einigen Jahren, andererseits sieht man bei der Servicestelle GESTU einen Rückgang in der Anzahl der Studierenden. Dies ist vor allem auf die Bildungssituation in Österreich zurückzuführen: „Durch die mangelhaften Angebote in Gebärdensprache fehlt vielen Jugendlichen die Motivation und die Kraft, zur Matura anzutreten, geschweige denn ein Studium zu beginnen.“ An den Hochschulen selbst herrscht immer wieder Skepsis, wenn etwa Lehrende darüber informiert werden, dass gehörlose bzw. schwerhörige Studierende mit Dolmetscher*innen im Hörsaal sitzen werden. „Doch bald sehen sie, dass die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert und sind begeistert.“
In der Gesellschaft
In der Gesellschaft selbst sollten Barrierefreiheit und Inklusion nicht als Bonus, sondern als Selbstverständlichkeit gelten, ist die Servicestelle GESTU überzeugt. „Es braucht überall mehr visuelle Informationen, etwa durch Untertitel, Gebärdensprach- bzw. Schriftdolmetscher*innen oder von betroffenen Personen selbst. Der Zugang zu Kommunikation und Information ist übrigens per UN-Behindertenrechtskonvention ein Menschenrecht.“ Darüber hinaus müssen Menschen mit Behinderungen sichtbarer werden und in Prozesse eingebunden werden. Es müssen Räume geschaffen werden, in denen sich Menschen mit Behinderungen selbst ausdrücken können und dürfen – und diese Räume sollten von den betroffenen Personen selbstverständlich eingenommen werden – dies gilt auch für den akademischen Kontext. Die Servicestelle GESTU hat schließlich den Wunsch: „Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit soll nicht als Kuriosität gelten, stattdessen ist es wichtig, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.“



