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Eine Maske, Allergie-Tabletten sowie Ragweed.
28. September 2022

Allergie: Ragweed ist unterschiedlich aggressiv

Von Schrödingers Katze
Natur & Umwelt
Die extreme Ragweed-Verbreitung belastet Allergiker*innen stark. Forscher*innen rund um Michelle Epstein (Medizinische Universität Wien) konnten nun zeigen, dass der Herkunftsort und die Umwelt die Aggressivität der Ragweed-Pollen beeinflussen.

Allergiker*innen haben es dieses Jahr besonders schwer: Die bisherige Pollensaison brachte eine starke Belastung und das ebenso Allergie-Symptome auslösende Ragweed (auch Ambrosia, Fetzenkraut oder beifußblättriges Traubenkraut genannt) konnte in diesem Jahr durch die hohen Temperaturen gut wachsen. Meistens blüht Ragweed zwischen August und September. Die Pflanze gehört zur Gruppe der Korbblütengewächse (Asteraceae) und war ursprünglich in Nordamerika beheimatet. Von dort breitete es sich in Europa, Asien und Australien aus. Ragweed ist besonders oft an Straßenrändern, Kiesgruben, Schutthalden und Baustellen zu finden. Es ist hoch allergen und löst den sogenannten „Herbstheuschnupfen“ aus. Allergiker*innen spüren die Pollen des Krauts v.a. durch tränende, juckende Augen, Niesen und Atembeschwerden. Auch ein allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Husten oder Atemnot zähen zu den bekannten Symptomen. Aktuell leiden in Europa 33 Millionen an einer Ragweed-Allergie, Forscher*innen prognostizieren einen Anstieg auf 77 Millionen bis 2060. 

Mäuse bekommen Asthma

Forscher*innen der Medizinischen Universität Wien rund um Michelle Epstein haben sich mit dem Kraut näher befasst und haben ein neuartiges Ragweed-Allergie-Modell entwickelt: Bei diesem inhalierten Mäuse in der ersten Woche dreimal und in der dritten Woche ebenso dreimal Ragweed-Pollen. „Innerhalb von 72 Stunden nach der letzten Inhalation stellten wir fest, dass die Tiere Asthma entwickelten“, erklärt Michelle Epstein, Doktorin der Allergologie und klinischen Immunologie. Im Modell verwendeten die Forscher*innen verschiedene Pollenproben, die entweder aus den USA oder aus Österreich stammten. Die Mäuse benötigten dabei nur wenige Pollen (180 Pollenkörper), um Asthma zu entwickeln, so Epstein weiters, bei Menschen scheinen es mehr zu sein. „Normalerweise braucht eine anfällige Person (atopische/allergische Tendenz) etwa 3-5 Jahreszeiten, bevor sie allergisch wird“, so Epstein.

In einer früheren Arbeit fand sie und ihr Team heraus, dass mehr als 5.000 Körner/m3 pro Jahr notwendig seien, um Patient*innen zu sensibilisieren, führt die Forscherin aus. „Zur Verdeutlichung: Eine Ragweed-Pflanze kann in einer Saison eine Milliarde Pollen produzieren, und die Pollen können im Wind über tausend Kilometer weit getragen werden. Das bedeutet, dass die Luftkonzentration sehr hoch sein kann und auch in weit von den Pflanzen entfernten Gebieten zu finden ist.“ Eine weitere wichtige Erkenntnis machten die Forscher*innen ebenso: Pflanzen, die in sehr unterschiedlichen Gebieten angebaut wurden, lösen unterschiedlich schwere Erkrankungen aus. „Dies war unerwartet, da die meisten von uns bisher davon ausgingen, dass die Pollen unabhängig vom Anbauort der Pflanzen gleich sind. Es gab jedoch einige Hinweise darauf, dass Umwelt, Klima und Verschmutzung die Sensibilisierung/Allergenität der Pollen möglicherweise verändern könnten.“ 

Hohe Allergenität

Wenn eine Person zu allergischen Reaktionen neige, werde der Kontakt mit Ragweed-Pollen ziemlich sicher zu einer Sensibilisierung bzw. Allergie führen. Die Pollen seien, so Epstein, besonders gut in der Lage, Atopiker*innen (das sind diejenigen, die besonders anfällig für Allergien sind oder überempfindlich auf körperfremde Substanzen reagieren) zu sensibilisieren und allergische Symptome auszulösen. Die Symptome halten zwar nur während der Ragweed-Zeit an, der Klimawandel verlängere diese aber und zudem erhöhe die hohe Pollenkonzentration in der Luft das Risiko einer Allergie, führt Michelle Epstein aus. „Unsere Studie zeigt, dass die Umweltbedingungen die Potenz der Pollen erhöhen könnten, d. h., dass es leichter ist, empfängliche Menschen zu sensibilisieren, wodurch die Zahl der Ragweed-Allergiker*innen steigt und sich die Symptome bei Menschen, die bereits an einer Ragweed-Allergie leiden, erheblich verschlimmern könnten.“

Klimakrise und Tipps

Die Klimakrise wird sich laut Epstein in zweifacher Weise auf Allergiker*innen auswirken: Einerseits werden Atopiker*innen allergisch werden, andererseits werden diejenigen, die bereits eine Ragweed-Allergie haben, stärkere Symptome spüren und diese Symptome werden länger anhalten. „Mit dem Klimawandel werden Ragweed-Pflanzen in nördlicheren Gebieten und in größeren Höhen wachsen, was bedeutet, dass es mehr Pflanzen und mehr Pollen in der Luft gibt, und mit dem Klimawandel könnten auch aggressivere Pollen auftreten. Aber das wissen wir nicht mit Sicherheit“, so Michelle Epstein. Worauf müssen Betroffene daher achten? Antihistaminika und inhalative Steroide können Symptome lindern, zudem sollen Allergiker*innen sich über die aktuelle Pollenbelastung und neue Behandlungsmöglichkeiten informieren. Der tägliche Pollenflug kann etwa unter https://www.pollenwarndienst.at verfolgt werden. Bei außergewöhnlich hohen Werten sei es besser, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten, so die Expertin, auch die Planung des Urlaubs sollte in Hinsicht auf die Pollenlage stattfinden. „Vielleicht wäre es besser, in höhere Lagen zu fahren oder nach Nordeuropa zu reisen, wo Ragweed weniger problematisch ist“, betont Epstein. Schlussendlich könne es noch helfen, eine FFP2-Maske und eventuell sogar eine Schutzbrille zu tragen, so Michelle Epstein abschließend. 

Publikation: Frontiers in Allergy
„Influence of the environment on ragweed pollen and their sensitizing capacity in a mouse model of allergic lung inflammation“
Shu-Hua Liu, Sahar Kazemi, Gerhard Karrer, Anke Bellaire, Wolfram Weckwerth, Jakob Damkjaer, Oskar Hoffmann and Michelle M. Epstein; Front. Allergy 3:854038.

doi.org/10.3389/falgy.2022.854038

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