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Eine Frau zeigt ihre ausgestreckte Handfläche nach vorne.
10. Dezember 2025

Gewalt sichtbar machen und bekämpfen

Von Schrödingers Katze
Medizin
Seit 2008 besteht die Gewaltambulanz der Medizinischen Universität Graz. Hier werden die Spuren, die Gewalt an Opfern hinterlässt, gesichert. Das kann bei der Aufklärung von Gewaltdelikten helfen.

Alle zehn Minuten wird weltweit eine Frau getötet, warnen die Vereinten Nationen. In Österreich erlebt jede dritte Frau körperliche bzw. sexuelle Gewalt – fast immer durch einen Mann aus ihrem nahen sozialen Umfeld (Quelle: Statistik Austria). Auch Männer können von Gewalt betroffen sein, wobei sie dieser meist im öffentlichen Raum ausgesetzt sind. Um die Spuren, die Gewalt an einem Körper hinterlässt, zu sichern, und somit die Bekämpfung gegen Gewalt zu verbessern, wurde an der Medizinischen Universität Graz eine Gewaltambulanz eingerichtet. Die Gerichtsmedizinerin Sarah Heinze leitet diese sowie das Diagnostik- & Forschungsinstitut für Gerichtliche Medizin an der Medizinischen Universität Graz. „Eine Gewaltambulanz ist eine klinisch-forensische Untersuchungsstelle, die allen Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und sozialem Status kostenfrei zur Verfügung steht. Folgen von Gewalt werden gerichtsverwertbar dokumentiert und eventuelle Spuren aufbewahrt. Diese Aufbewahrung kann bis zu 20 Jahre dauern, wobei bei Kindern noch ein längerer Zeitraum berücksichtigt wird. Die Untersuchung wird durch Gerichtsmediziner*innen und nur mit Einwilligung der zu untersuchenden Person durchgeführt“, erklärt Sarah Heinze.

Spuren sichern

Die Gerichtsmedizin ist ein eigener Fachbereich der Medizin, in dessen Rahmen sich Mediziner*innen mit Gewalt beschäftigen. Die körperlichen Spuren von Gewalt werden dokumentiert und das auf eine Weise, damit Beweise vor einem Gericht – falls die von Gewalt betroffene Person eine Anzeige erstatten möchte – haltbar sind. Sarah Heinze: „Die Sicherung der Gewaltspuren erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Strafantrag gestellt und ein Verfahren aufgenommen wird. Man geht davon aus, dass eine gerichtsverwertbare Dokumentation auch zu einer höheren Verurteilungsrate führt, aktuell gibt es hierzu für Österreich noch keine Statistiken.“ Je nachdem, welche Beweismittel vorliegen, kann neben der Dokumentation körperlicher Folgen von Gewalt zum Beispiel eine DNA-Untersuchung von Abstrichen oder Kleidungsstücken durchgeführt werden, ebenso sind toxikologische Untersuchungen von Blut- und Urinproben möglich oder ein gerichtsmedizinisches Gutachten, in dem die Rekonstruktion des Geschehenen dokumentiert wird. Die Spuren werden anschließend in feuerfesten Stahlschränken und Gefrierschränken aufbewahrt. 

Wichtiger Beitrag

Sarah Heinze betont, dass der Zeitpunkt der Spurensicherung eine große Rolle spielt: „Eine zeitnahe Dokumentation der Folgen von Gewalt ist essenziell. Hier zeigt es sich, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit von Polizei, Behörden, Kliniken und uns als Gerichtsmedizin ist. Wenn Dauerfolgen bestehen oder zum Beispiel Narben sichtbar sind, macht eine Untersuchung auch noch nach sehr langer Zeit Sinn, gegebenenfalls auch, um eine Beschreibung des Geschehenen festzuhalten, falls es zu einer Wiederholung der Tat kommen sollte.“ Die meisten Personen, die die Gewaltambulanz aufsuchen, stimmen der Spurensicherung zu, so Sarah Heinze, dennoch braucht es weiterhin Aufklärung, warum der Gang in eine Gewaltambulanz sinnvoll ist. „Scheu, Stigmatisierung, Unwissen, ein eventuelles Urteil anderer – es gibt viele Gründe, warum von Gewalt betroffene Personen Einrichtungen wie unsere nicht aufsuchen. Wir sind daher bemüht, in der Bevölkerung und auch bei Hilfseinrichtungen bekannter zu werden, denn Einrichtungen wie unsere leisten einen entscheidenden Beitrag im Rahmen der Aufklärung von Gewaltdelikten“, sagt die Gerichtsmedizinerin. Es ist daher wichtig, das Thema Gewalt zu enttabuisieren und auch die Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzt*innen zu stärken.

Angebot ausbauen

Um die wichtigen Aufgaben der Gewaltambulanz noch mehr Menschen anzubieten, besteht auch die Möglichkeit, dass deren Mitarbeiter*innen zu den betroffenen Personen kommen, wenn diese etwa gerade in einem Krankenhaus behandelt werden. Sarah Heinze erklärt, warum das wichtig ist:  „Man möchte nur einmal untersuchen und auch nur einmal die Person befragen – ein mehrmaliges Erzählen des Geschehenen kann nämlich retraumatisierend auf die Betroffenen wirken. Zudem ist auch ein mehrmaliges Untersuchen, einschließlich mehrmaligen Entkleidens, äußerst belastend. Daher macht es Sinn, an einem Ort zu untersuchen, wo die verschiedenen Fachrichtungen für die Untersuchungen vorhanden sind, oder aber dort, wo die Person bereits im medizinischen Bereich aufgenommen oder in der Ambulanz erschienen ist und gemeinsam mit den behandelnden Ärzt*innen vor Ort untersucht werden kann.“ Die Gewaltambulanz der Medizinischen Universität Graz besteht seit 2008, Sarah Heinze zieht ein Fazit: „Der Bedarf ist da, die Untersuchungszahlen steigen und man geht davon aus, dass derzeit noch kein Plateau erreicht wurde. Rückmeldungen kommen von sowohl Hilfseinrichtungen als auch der Justiz, dass die Untersuchungen ‚ein Gamechanger’ für die Personen sind. Von daher werden wir in hoher Qualität das Angebot Stück für Stück ausbauen und in die Fläche gehen.“

Gerichtsmedizinerin Sarah Heinze
Die Gerichtsmedizinerin Sarah Heinze ist an der Medizinischen Universität Graz tätig. © Medizinische Universität Graz

Hilfe für Gewaltbetroffene:

Frauenhelpline (Mo–So, 0–24 Uhr, anonym und kostenlos): 0800 / 222 555

Gewaltschutzzentren (anonym und kostenlos): 0800 / 700 217

Männerberatung (Mo–So, 0–24 Uhr, anonym und kostenlos): 0800 / 400 777

Männernotruf (Mo–So, 0–24 Uhr, anonym und kostenlos): 0800 / 246 247

Telefonseelsorge (Mo–So, 0–24 Uhr, vertraulich und kostenlos): 142


Leitfaden für Journalist*innen: https://fgm-koordinationsstelle.at/wp-content/uploads/Leitfaden-Sensible-Berichterstattung.pdf 

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