Antibiotika werden zur Behandlung von verschiedenen bakteriellen Infektionskrankheiten – wie etwa Lungen-, Mandel- und Hirnhautentzündungen – eingesetzt. Problematisch ist es, wenn sich die Bakterien schnell anpassen und sich die Wirkung von Antibiotika verschlechtert oder auslässt. Das kann zu einer schlechteren Heilung oder sogar zu Todesfällen führen. In so einem Fall spricht man von einer Antibiotikaresistenz – eine Gefahr, die die Wissenschaft schon länger beschäftigt. Wissenschafter*innen der Veterinärmedizinischen Universität Wien, des FFoQSI (Austrian Competence Centre for Feed and Food Quality, Safety & Innovation) und der Universität León in Spanien untersuchten nun antimikrobielle Resistenzgene in Lebensmitteln und Produktionsumgebungen in Europa. „Resistenzgene bei Bakterien findet man in vielen Ökosystemen, eben auch bei Lebensmitteln, sofern sie nicht steril sind“, erklärt Martin Wagner, der an der Studie beteiligt war. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Microbiology veröffentlicht und liefern wichtige Erkenntnisse zur Lebensmittelsicherheit und zum Umgang mit antimikrobiellen Resistenzen.
2.000 Proben
Die Untersuchung war Teil des Projekts MASTER (Microbiome Applications for Sustainable food systems through Technologies and EnteRprise), der Fokus lag auf dem Resistom, das ist die Gesamtheit der Gene, die Bakterien resistent gegen Antibiotika machen. Bereits vor der Studie wusste man, dass Lebensmittel als Übertragungsweg für antibiotikaresistente Bakterien dienen können. Nun weiß man, dass sogar mehr als 70 % der bekannten Antibiotikaresistenzgene entlang der Lebensmittelproduktionskette vorkommen, wobei nur ein Teil dieser Gene besonders häufig zu finden ist. Die Forschenden erhielten diese Erkenntnis durch moderne metagenomische Sequenzierungstechniken. Sie untersuchten ungefähr 2.000 Proben. Diese stammten aus Rohstoffen und Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch, Käse, Milch und Gemüse, aber auch von Oberflächen und industriellen Umgebungen aus über 100 Unternehmen. Über den Ablauf der Studie sagt Martin Wagner: „ Normalerweise züchtet man einzelne Keimspezies an und testet sie dann gegen unterschiedliche Antibiotika. Unsere DNA-gestützten Ansätze basierten jedoch auf Hochleistungssequenzierung. Das ermöglicht, alle Gene aller Spezies aus einem Ökosystem zu testen. Das heißt, man bekommt nicht nur Daten über Antibiotika, gegen die man getestet hat, sondern über alle nachweisbaren Gene. Und da zeigte sich, dass zwei Drittel aller bekannten Antibiotikaresistenzgene auch bei Bakterien aus Lebensmitteln nachweisbar sind.“
Verschiedene Resistenzgene
Die Forschenden fanden dabei vor allem Resistenzgene, die mit Tetracyclinen, Beta-Lactamen, Aminoglykosiden und Makroliden in Verbindung stehen. Das alles sind Antibiotikaklassen, die bei der Behandlung von Infektionen bei Menschen und Tieren verwendet werden. Viele dieser Antibiotika gehören zur ESKAPEE-Gruppe, das sind Antiobiotika, die im Zusammenhang mit schweren Krankenhausinfektionen stehen. Zur ESKAPEE-Gruppe zählen unter anderem Escherichia coli, Staphylococcus aureus und Klebsiella pneumoniae. Weitere nachgewiesene Arten umfassen Staphylococcus equorum und Acinetobacter johnsonii. Fast 40 % dieser Gene sind mit Plasmiden verknüpft, das sind mobile, genetische Elemente, die den Gentransfer zwischen Bakterien erleichtern und somit das Risiko der Ausbreitung von Resistenzen erhöhen können.
Sichere Lebensmittelsysteme
Welche Auswirkungen hat das Vorkommen dieser Antibiotikaresistenzgene nun? Experte Martin Wagner schätzt die Situation folgend ein: „Bei Infektionen können Bakterien, die viele Antibiotikaresistenzgene tragen, natürlich schwerer zu behandeln sein. Es ist jetzt nicht zu erwarten, dass man sich an einem Lebensmittel häufig ansteckt. Und nicht jede Ansteckung führt zu einem Therapienotstand. Da müsste das Bakterien schon direkt in eine Wunde gelangen. Über den oralen Weg gibt es vielfältige Abwehrmechanismen, da die Aufnahme von Bakterien über Nahrungsmittel natürlich so alt wie die Menschheit selbst ist.“ Dennoch liefert die Studie wichtige Erkenntnisse dazu, bestimmte industrielle Prozesse und Produktionsbedingungen die Verbreitung und Präsenz dieser Antibiotikaresistenzgene beeinflussen können. Das ist wichtig, um die Lebensmittelsysteme nachhaltiger und sicherer zu gestalten.




